Designprodukt Synthetische Kraftstoffe

Author: Michael Vogel

08. Dez. 2021 Mobilität / Nachhaltigkeit / Automobil

E-Fuels sind nicht nur ein technisches, sondern auch ein politisches Thema bei den Bemühungen um einen nachhaltigeren Verkehr. Besonders Europa und europäische Unternehmen arbeiten an industrietauglichen Anlagen.

Weniger CO2-Emissionen – das ist auch im Verkehr das erklärte Ziel. Neben der Elektromobilität und der Brennstoffzelle sind synthetische Kraftstoffe eine weitere Option, um diesem Ziel näher zu kommen. Die Grundidee: Da Kraftstoffe letztlich aus Wasserstoff und Kohlenstoff bestehen, kann man sie im Prinzip klimaneutral herstellen, zum Beispiel mit Hilfe von Biomasse oder Grünstrom. Kraftstoffe, die mittels Grünstrom hergestellt werden, heißen auch E-Fuels. Wobei der Begriff E-Fuels in der öffentlichen Debatte oft auch als Synonym für synthetische Kraftstoffe dient.
„Synthetische Kraftstoffe lassen sich so designen, dass sie weiterhin die Normen für etablierte Kraftstoffe wie Benzin oder Diesel erfüllen. Existierende Verbrennerfahrzeuge könnten problemlos E-Fuels tanken – in Reinform oder als Beimischung klassischen Benzin oder Diesel“, sagt Erik Pellmann, Leiter Antrieb & Abgasemissionen im DEKRA Technologienzentrum im brandenburgischen Klettwitz. „Solche E-Fuels ließen sich über das bestehende Tankstellennetz verteilen.“
Jenseits dieser technischen und logistischen Aspekte sind E-Fuels ein hochpolitisches Thema. Befürworter sehen darin die Chance, möglichst rasch die CO2-Emissionen im Bestand zu senken, der allein in der EU rund 240 Millionen Pkw zählt. Gegner betonen, dass der Grünstrombedarf für die Erzeugung solcher E-Fuels immens ist und auf absehbare Zeit die verfügbare Menge an erneuerbaren Energien in der EU weit übertrifft. Daher sollen E-Fuels dem Verkehr vorbehalten bleiben, der sich nicht oder nur schwer auf Elektro- oder Brennstoffzellenantrieb umrüsten lässt: Flugzeuge, Hochseeschiffe, bestimmte Arten von Nutzfahrzeugen. Nicht zuletzt die Formel 1 plant, ab 2025 nach und nach auf E-Fuels umzustellen. Immerhin: „Dass Flugzeuge und Hochseeschiffe auf E-Fuels angewiesen sind, zumindest darin sind sich Gegner und Befürworter einig“, so Pellmann.
Noch fehlen große Anlagen für die Produktion im industriellen Maßstab
Was für den Einsatz von E-Fuels in größerem Stil noch fehlt, sind Anlagen, die diese synthetischen Kraftstoffe möglichst nachhaltig und wirtschaftlich im industriellen Maßstab produzieren. Das Bundesverkehrsministerium hat vor einigen Monaten einen entsprechenden Förderaufruf für den Bau und Betrieb entsprechender Power-to-Liquid-Entwicklungsplattformen (PtL) für Deutschland veröffentlicht. Solche Anlagen wandeln „power“, also Strom, in einen flüssigen Kraftstoff („liquid“) um.
Auch die EU fördert einschlägige Vorhaben im Rahmen des siebten Rahmenforschungsprogramms und des Programms „Horizon 2020“. Einen Namen in der anwendungsnahen Erforschung von synthetischen Kraftstoffen hat sich nicht zuletzt das Karlsruher Institut für Technologie gemacht. Dort laufen zwei kleinere Anlagen, die Benzin, Diesel und Kerosin nachhaltig erzeugen können. Bei der einen erfolgt die Herstellung aus Biomasse, bei der anderen aus Grünstrom.
Das Thema hat in Europa einen größeren Stellenwert als auf anderen Kontinenten
Mit Blick auf konkrete Projekte hat das Thema „E-Fuels“ zumindest derzeit in Europa einen höheren Stellenwert als etwa in den USA oder in Asien: Bei industrienahen Projekten sind oft europäische Unternehmen federführend. So wollen Porsche und Siemens Energy gemeinsam mit weiteren Partnern in Chile die weltweit erste integrierte kommerzielle Großanlage zur Herstellung von klimaneutralen E-Fuels aufbauen. Bereits 2022 soll die Anlage 130.000 Liter erzeugen, bis 2026 soll die jährliche Menge auf 550 Millionen Liter steigen. Die Anlage wird Wasser mit Windstrom in Sauerstoff und Wasserstoff aufspalten sowie CO2 aus der Luft filtern, um es dann zusammen mit dem Wasserstoff in Methanol umzuwandeln. Methanol ist ein Zwischenprodukt, mit dem die Industrie viel Erfahrung hat. Es wird laut Porsches Plänen in der Anlage dann mit einer Technologie von ExxonMobil zu Kraftstoff weiterverarbeitet – für den Motorsport, perspektivisch auch für Seriensportwagen.
Synthetisches Kerosin für die Luftfahrt
In Norwegen entsteht derzeit eine Anlage, die eine jährliche Produktionskapazität von 100 Millionen Liter E-Fuels erreichen soll. Start der Pilotphase ist 2023 mit zehn Millionen Litern. Beteiligt an dem Gemeinschaftsunternehmen sind unter anderem die Schweizer Firma Climeworks, mit deren Technologie sich CO2 aus der Luft abscheiden lässt, sowie die Dresdner Firma Sunfire mit ihrer PtL-Technologie. Vor allem synthetisches Kerosin für die Luftfahrt haben die Projektpartner derzeit als Ziel ausgegeben.
Ebenfalls im hohen Norden ist die isländische Firma Carbon Recycling International (CRI) aktiv. Das Unternehmen betreibt bereits seit 2011 auf Island eine Pilotanlage für die Herstellung von Methanol und baut derzeit weitere industriell relevante Anlagen in Schweden und Norwegen auf. CRI filtert das CO2 nicht aus der Luft, sondern direkt aus den Abgasströmen produzierender Unternehmen. Auch im chinesischen Anyang planen die Isländer gemeinsam mit einem chinesischen Konsortium eine solche Methanol-Anlage: 160.000 Tonnen CO2 soll sie jährlich aus den Abgasen entfernen.
Auf dem Weg zu einer nachhaltigeren Schifffahrt
Maersk, weltgrößter Betreiber von Containerschiffen, hat im September 2021 in das kalifornische Start-up Prometheus Fuels investiert. Das dänische Logistikunternehmen sieht in dessen Technologie zur Herstellung von synthetischen Kraftstoffen einen möglichen Weg zu einer nachhaltigeren Schifffahrt. Bereits im Juni 2020 hat übrigens BMW in Prometheus investiert.
Auch Mineralölkonzerne erkennen in den E-Fuels eine Chance, um ihr Geschäft nachhaltiger zu machen. So hat zum Beispiel der spanische Konzern Repsol 2020 damit begonnen, eine Anlage in Bilbao für die Produktion von E-Fuels aufzubauen. Sie soll innerhalb von vier Jahren Volllast erreichen. Zunächst wird sie aber nur mit 50 Barrel synthetischem Kraftstoff pro Tag starten. Mitbewerber Shell wiederum will in der Rheinland Raffinerie eine kommerzielle Bio-PtL-Anlage errichten, um nachhaltiges Kerosin für den Flugverkehr zu produzieren. Neben Grünstrom sollen dort auch Holzreststoffe als Biomasse für die Produktion dienen. Als Baubeginn der Anlage ist 2023 angedacht. Die anfängliche Kapazität nach der möglichen Inbetriebnahme Ende 2025 wäre dann 100.000 Tonnen.
Nicht zuletzt hat eine Non-Profit-Organisation begonnen, in Deutschland E-Fuels herzustellen: Atmosfair, bekannt als Anbieter von Klimakompensierungen, kann in einer PtL-Anlage im Emsland ein synthetisches Zwischenprodukt herstellen, das dann von der Raffinerie Heide zu Kerosin aufbereitet wird. 2022 soll der derzeitige Probebetrieb in den Regelbetrieb übergehen. Jährliche Kapazität: 350 Tonnen – im Vergleich ein eher symbolischer Wert.