Solarauto: Pack die Sonne in den Tank

Author: Joachim Geiger

13. Juli 2022 Mobilität / Nachhaltigkeit / Automobil

Die Solartechnologie könnte der Stein der Weisen in der Elektromobilität werden. Die Kraft der Sonne für Fahrstrom und Akku kostet keinen Cent und emittiert keine Schadstoffe. In der Praxis sind die Hürden allerdings hoch – vor allem der Wirkungsgrad der Solarzellen lässt noch zu wünschen übrig. Dennoch stehen jetzt die ersten Modelle in den Startlöchern.

Die Frage nach dem besten Kraftstoff für mehr Nachhaltigkeit spielt in der Elektromobilität zunehmend eine wichtige Rolle. Zwar ist aus physikalischer Perspektive der Strom für den Elektromotor einfach nur Strom. Entscheidend aber ist, dass sich die Energie aus regenerativen Ressourcen speist. Der Königsweg wäre in diesem Fall die Nutzung der Solarenergie, bei der Solarzellen auf dem Autodach die Energie der Sonne in Fahrstrom für den Motor oder zum Aufladen des Akkus umwandeln – Sonnenenergie kostet keinen Cent und emittiert kein CO2. Kann das die Zukunft sein? Einige Dutzend leistungsstarke Solarzellen aufs Dach, fertig ist das Solarauto? Und wenn die Sache funktioniert – warum hat dann nicht jedes Elektroauto ein Photovoltaik-Modul für ein Plus an Energie auf dem Dach?
Hersteller wie Toyota und Hyundai haben die Idee zumindest auf dem Schirm. Die Japaner stellen für ihren brandneuen Toyota bZ4X ein Solardach mit einer Leistung von 180 Watt als Sonderausstattung zur Wahl. Ein ähnliches Angebot machen die Südkoreaner für ihr SUV Ioniq 5. Hier wie dort sollen die Solarzellen an Sonnentagen die elektrische Reichweite um täglich fünf Kilometer erhöhen. Auch Mercedes-Benz hat bei seinem Konzeptfahrzeug VISION EQXX die Reduzierung des Energiebedarfs durch Solarzellen im Blick – der aktuelle Prototyp soll unter idealen Bedingungen täglich bis zu 25 Kilometer Extrareichweite erreichen.
Wissenschaftler fahren bereits mit dem Solarfahrzeug um die Welt
An diesem Punkt stellt sich die Frage, ob der Einsatz von Solarzellen aus dem Zubehörregal ein Elektroauto schon zum Solarauto befördert. Die so gewonnenen Reichweiten sind jedenfalls überschaubar. Streng genommen wird ein Solarauto ohnehin erst dann Realität, wenn kein Bedarf mehr für einen externen Ladevorgang besteht. Dass die Technologie für diesen Ansatz grundsätzlich funktioniert, belegen die Solarwägelchen, die alle zwei Jahre im Rahmen der World Solar Challenge allein mit Sonnenkraft durch den australischen Outback düsen.
Eine feste Größe auf diesem Event ist die Hochschule Bochum, die bislang knapp ein Dutzend Solarautos auf die Räder gestellt hat. Ein Highlight im Portfolio ist der „SolarWorld Gran Turismo“ – dem Bochumer Solarcar-Team ist mit der kleinen Limousine eine fast 30.000 Kilometer lange Weltreise durch Australien, Neuseeland, die USA, Frankreich und Luxemburg gelungen. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die Fahrten in der World Solar Challenge durchweg mit Experimentalfahrzeugen und in der Regel bei idealem Wetter stattfinden. Von einem Einsatz im elektromobilen Alltag sind diese Fahrzeuge weit entfernt.
Handicap ist der bescheidene Wirkungsgrad der Solarzellen
Wohin also kann die Reise der solaren Elektromobilität gehen? Klar ist, dass Solarautos in Zukunft mit maßgeschneiderten Energiesystemen mit sehr hoher Effizienz aufwarten werden. Eine maßgebliche Kenngröße für die Leistung einer Solarzelle ist der Wirkungsgrad. Er bestimmt, wie viel Sonnenenergie die Zellen in Strom umwandeln. Je mehr Energie die Zelle umsetzt, desto besser gestaltet sich dann auch die Bilanz im Hinblick auf den Ressourcenverbrauch bei der Herstellung der Zellen.
Allerdings ist die Effizienz aktueller Solarpanels noch ausbaufähig, weiß Andreas Richter, Ingenieur im DEKRA Kompetenzzentrum Elektromobilität. „Zellen für Photovoltaik-Systeme kommen heute üblicherweise auf Wirkungsgrade zwischen 18 und 24 Prozent. Insbesondere mit der vergleichsweise geringen Solarfläche am Fahrzeug kann nur verhältnismäßig wenig Sonnenenergie tatsächlich zur Stromerzeugung genutzt werden.“ Andererseits arbeiten Wissenschaftler längst an Technologien, die eine höhere Ausbeute versprechen. Das deutsche Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme hat vor Kurzem eine hocheffiziente Solarzelle entwickelt, die unter Laborbedingungen einen Wirkungsgrad von nahezu 50 Prozent erreicht. Eine solche Energieleistung würde die solare Mobilität sicher beflügeln. Aber auch ohne Superzellen sind Solarautos für den Alltag keine Science-Fiction mehr.
Die ersten solaren Elektroautos kommen noch in diesem Jahr auf den Markt
Die Schrittmacher für die solare Technologie sind junge und ambitionierte Unternehmen, die das Elektroauto im Hinblick auf Nachhaltigkeit, Leichtbau und Aerodynamik neu denken. Die ersten Fahrzeuge stehen bereits kurz vor dem Start – noch keine echten Solarmobile, aber Elektroautos mit einer hohen Integration von Solartechnologie in das Fahrzeugkonzept.
Das Münchener Start-up Sono Motors zum Beispiel hat einen Van entwickelt, bei dem die Solarzellen vollständig in die Karosserie integriert sind. Das niederländische Start-up Lightyear aus Helmond bei Eindhoven kommt Ende des Jahres mit einer spektakulären Limousine auf den Markt, die im Hinblick auf Effizienz und Reichweite neue Maßstäbe setzt. Das Automobilunternehmen Aptera Motors aus San Diego, Kalifornien, wiederum befasst sich mit einem solaren Fahrzeug, das in puncto Design in einer eigenen Liga spielt.
Steckbrief: Solare Elektromobilität
Sono Motors Sion
Das Konzept des Münchener Start-ups für den Sion ist nah dran am Anspruch eines elektrischen Alltagsautos, das einen Teil seines Vortriebs mit Solartechnologie realisiert. Der elektrische Antriebsstrang wartet mit einem 54 kWh großen Lithium-Eisenphosphat-Akku auf, der ohne den Einsatz problematischer Materialien wie Kobalt, Mangan und Nickel auskommen soll. Der Elektromotor soll 120 kW leisten und eine Reichweite von rund 300 Kilometern erlauben. Ein genauer Blick auf die kastenförmige Karosserie zeigt, dass das Fahrzeug üppig mit Solartechnologie ausgestattet ist. Dem Hersteller zufolge sind darin 248 Solarzellen verbaut. Die flexiblen Panels aus Spritzguss sitzen im Dach, an der Fronthaube, am Heck und ziehen sich über beide Fahrzeugseiten. Die Leistung der Zellen soll unter günstigen Bedingungen zwischen 250 und 300 Watt erreichen. Mit diesem Equipment sollen sich bei Wetterverhältnissen, wie sie zum Beispiel in Süddeutschland typisch sind, pro Woche Fahrstrom für rund 110 Kilometer Reichweite erzeugen lassen. Bei konstanter Sonneneinstrahlung seien 245 Kilometer möglich. Derzeit arbeiten die Münchener am Start der Serienproduktion des Sion. Mitte 2023 sollen die ersten Fahrzeuge beim Auftragsfertiger Valmet in Finnland vom Band rollen. Geplant ist eine Produktion von 43.000 Fahrzeugen pro Jahr.
Der Lightyear 0
Das aus einem Solarauto-Projekt der TU Eindhoven hervorgegangene Start-up Lightyear hat nach sechs Jahren Entwicklungsarbeit Anfang Juni 2022 sein erstes elektrisches Serienfahrzeug vorgestellt. Maßstäbe setzt der Lightyear 0 im Hinblick auf seine Effizienz. Die Karosserie aus Kohlefaser und das Aluminiumchassis bringen zusammen knapp 1.600 Kilogramm auf die Waage. Mit einem Cw-Wert von 0,19 wartet der Fünfsitzer mit einem rekordverdächtigen Luftwiderstandsbeiwert auf. Den Vortrieb besorgen effiziente Radnabenmotoren an allen Rädern mit einer Gesamtleistung von 100 kW. Der installierte Akku besitzt eine Kapazität von 60 kWh. Lightyear beziffert die WLTP-Reichweite seines Fahrzeugs auf 625 Kilometer, der Energieverbrauch soll bei Tempo 110 etwa 10,5 kWh auf 100 Kilometer betragen. Vollends rund wird das Energie-Konzept durch die Integration von Solartechnologie, die auch während der Fahrt die Kraft der Sonne nutzt. Dazu hat der Hersteller auf dem Dach und der Motorhaube der fünf Meter langen Limousine auf einer Fläche von fünf Quadratmetern rund 800 Solarzellen installiert, die an Sommertagen mit genügend Sonnenlicht Strom für rund 70 Kilometer Reichweite erzeugen. Das schnittige Coupé soll zunächst in einer Auflage von knapp 1.000 Einheiten ab November an die Kunden ausgeliefert werden.
Das Solarauto Aptera Sol
Dem futuristisch anmutenden Elektroauto Aptera Sol steht das Bekenntnis zu Effizienz und Reichweite förmlich ins Gesicht geschrieben. Die Karosserie besitzt ein tropfenförmiges Profil mit einem extrem niedrigen Cw-Wert von 0,13. Mit Werkstoffen wie Karbon, Kevlar und Hanf ist der dreirädrige Zweisitzer auf Leichtbau getrimmt. Medienberichten zufolge soll das je nach installierter Batterie zwischen 800 und 1.000 Kilogramm leichte Fahrzeug im Wesentlichen aus vier Komponenten bestehen, die sich mit dem 3D-Drucker drucken lassen. Das Solar-Equipment des Kleinwagens hängt von der Ausstattung ab. In der Grundausstattung sollen Solarpanels auf dem Dach für bis zu 25 Kilometer Reichweite am Tag sorgen. In einer aufwendigeren Version mit bis zu 180 Solarzellen, die sich dann über die ganze Karosserie verteilen, sollen bis zu 65 Kilometer am Tag möglich sein. Auch für den elektrischen Antrieb stehen mehrere Pakete zur Wahl – darunter ein 100 kW starker Motor für die Vorderachse oder ein 150-kW-Motor für die Variante mit Allrad. Die Größe der Akkus richtet sich nach der gewünschten Reichweite. Im Angebot finden sich Akkus mit Kapazitäten zwischen 25 kWh und 100 kWh. In der stärksten Version soll dann in Kombination mit den installierten Solarzellen rund 1.600 Kilometer möglich werden. Bei den Kunden dies- und jenseits des Atlantiks kommt das Fahrzeug offenbar an. Der Hersteller vermeldet bislang über 22.000 Vorbestellungen für das Designstück. Die Auslieferung soll Ende des Jahres starten.