Networking auf der Straße

Author: Achim Geiger

09. Aug. 2023 Digitalisierung / Sicherheit im Verkehr

Im Individualverkehr gilt die V2X-Kommunikation (Vehicle-to-Everything) als Technologie der Zukunft für einen flüssigeren Verkehr und die Verminderung von CO2-Emissionen. Gleichzeitig dürfte das vernetzte Fahren die Fähigkeiten automatisierter Fahrzeuge im Hinblick auf Sicherheit, Effizienz und Autonomie auf ein höheres Level heben.

Ein effizientes Networking dürfte in naher Zukunft zum Karriere-Booster für automatisierte Fahrzeuge werden. Schon heute können sich einzelne Modelle von Herstellern wie Volkswagen, Ford, Volvo sowie Audi, BMW und Mercedes über Mobilfunk oder pWLAN miteinander vernetzen, um Informationen über problematische Wetterlagen, Baustellen oder andere Gefahrenquellen auszutauschen. Allerdings ist das Potenzial für eine Kommunikation über die Markengrenzen hinweg noch längst nicht ausgereizt, wie der ADAC im Mai 2023 in einer Herstellerumfrage herausgefunden hat. Wünschenswert wäre die direkte Verbindung zwischen verschiedenen Fahrzeugen (V2V/Vehicle-to-Vehicle) im Interesse der Verkehrssicherheit allemal. Bislang sind nämlich selbst Autos mit hoch entwickelten Sensorsystemen darauf angewiesen, dass sich die Technik an Bord das nähere Umfeld mit jedem gefahrenen Meter immer wieder aufs Neue erschließt. Dabei ließe sich die Sichtweite mit Hilfe von Echtzeitinformationen über Verkehrssignale, Straßenzustand oder Verkehrsdichte deutlich erweitern. Mittel zum Zweck ist die so genannte V2X-Kommunikation (Vehicle-to-Everything), die einen umfassenden Informationsaustausch zwischen Fahrzeug und Umgebung herstellt.
Mehr Sichtweite für automatisierte Autos durch Vernetzung mit der Infrastruktur
Denkbar wäre eine Verbindung mit dem Internet (V2N/Vehicle to Network), um Wetterberichte oder Navigationsinformationen zu nutzen. Die Kommunikation mit Fußgängern (V2P/Vehicle-to-Pedestrian) könnte unter Einbeziehung von Smartphones Echtzeitinformationen über die Anwesenheit und Bewegung von Fahrzeugen bereitstellen. Die zentrale Rolle kommt allerdings der Vernetzung mit der Infrastruktur zu (V2I/Vehicle-to-Infrastructure). Ein automatisiertes Fahrzeug könnte zum Beispiel bei der Zufahrt auf eine Kreuzung im Vorfeld von einer Lichtsignalanlage oder einer mit Funkmodulen ausgestatteten Roadside Unit (RSU) Daten zur Kreuzungstopologie mit Informationen zur Anzahl der Fahrstreifen und Positionen der Haltelinien erhalten. Außerdem ließen sich Infos über den aktuellen Zustand aller Signale der Kreuzung sowie eine Prognose der verbleibenden Zeit für Grün oder Rot an den Ampeln abrufen.
Vielerorts steht jetzt das digitale Ökosystem auf der politischen Agenda
Immer mehr Länder, Städte und Gemeinden schreiben sich das Infrastrukturmanagement auf die politische Agenda. Allerdings ist der Aufbau eines digitalen Ökosystems mit Sensoren und Kameras zur Erfassung und Analyse der Außenwelt kein Klacks, zumal die einzelnen Systeme auch untereinander perfekt vernetzt sein müssen. Aufgaben wie Objekterfassung und Sensordatenfusion übernehmen in der Regel Systeme der Künstlichen Intelligenz (KI). Mittlerweile gibt es in Deutschland rund 20 aktive digitale Testfelder für automatisiertes und vernetztes Fahren im städtischen, regionalen und überregionalen Bereich, die sich zusammen auf eine Länge von rund 1.400 Kilometern addieren. In den meisten Testfeldern liegt der Fokus auf der realitätsnahen Erprobung von Fahrzeugen des Individualverkehrs und des Öffentlichen Personennahverkehrs. Im Herbst 2022 haben die deutschen Bundesländer Niedersachsen, Baden-Württemberg, Hamburg und Nordrhein-Westfalen gemeinsam ein Projekt zur automatisierten und vernetzten Mobilität aufgelegt, das die Forschungserkenntnisse aus den verschiedenen Testfeldern sammeln, auswerten und schnellstmöglich auf die Straße bringen soll.
Düsseldorf probt im Testfeld bereits den Ernstfall mit Einsatzfahrzeugen
Ein handfester Beitrag zu dieser Kooperation dürfte dann aus Düsseldorf kommen. Die Rheinmetropole unterhält eine topmoderne, rund 20 Kilometer lange digitale Teststrecke, die mehrere Autobahnabschnitte umfasst, zwei Autobahnkreuze und Straßen in der Stadt mit Tunneln, Brücken sowie Kreuzungen mit und ohne Ampeln. Zuletzt haben die Rheinländer in dem im März 2022 beendeten Projekt „KoMoDnext – Kooperative Mobilität im Testfeld Düsseldorf II“ ein Szenario untersucht, in dem ein Funkstreifenwagen der Polizei für die Einsatzfahrt auf einem Streckenzug eine Priorisierung erhält. Sobald das Einsatzfahrzeug das Blaulicht aktiviert, überträgt es in dichter Folge Daten zu Position und Geschwindigkeit an einen zentralen Dienst (V2I-Plattform/Vehicle To Infrastructure Platform). Das System wertet die Positionsmeldungen aus und übergibt diese an die Steuerung der im Streckenabschnitt befindlichen Lichtsignalanlagen, die jeweils etwa 60 Sekunden vor der erwarteten Überfahrt des Polizeifahrzeugs auf Grün geschaltet werden, während der Querverkehr entsprechend mit rotem Signal gesperrt wird. Wenn das Einsatzfahrzeug dann die Kreuzung erreicht, ist der Bereich bereits weitgehend geräumt. Es kann also diesen Gefahrenbereich mit vergleichsweise hoher Geschwindigkeit durchfahren. Während der Einsatzfahrt erhalten außerdem automatisierte und vernetzte Fahrzeuge in einem durch die jeweiligen Positionsdaten des Polizeiautos definierten Bereich eine Warnmeldung über die Einsatzfahrt. Ein hochautomatisiertes Fahrzeug könnte künftig auf Basis dieser Meldung entscheiden, ob es die aktuelle Fahraufgabe an den Fahrer übergibt.
Bei der durch V2X optimierten Mobilität greift ein Rädchen ins andere
Die große Hoffnung, die sich mit V2X verbindet, ist eine sichere, effiziente und nachhaltige Mobilität, bei der ein Rädchen reibungslos ins nächste greift. Dabei zahlt das Engagement für eine intelligente Infrastruktur bereits heute aufs Konto ein – erste Erkenntnisse aus den Testfeldern deuten darauf hin, dass schon bei einem geringen Ausstattungsgrad mit automatisierten Fahrzeugen eine signifikante Verbesserung des Verkehrsmanagements möglich ist. In welcher Größenordnung sich möglicherweise Effizienzsteigerungen realisieren lassen, hat das Fraunhofer-Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung IOSB in Karlsruhe in dem im August 2022 beendeten Forschungsprojekt „KI4LSA (Künstliche Intelligenz für LichtSignalAnlagen)“ angedeutet. Untersucht wurde im nordrhein-westfälischen Lemgo der Einsatz einer KI für eine vorausschauende Ampelsteuerung im Verbund mit einer intelligenten Infrastruktur. Das Resultat spricht für den selbstlernenden Algorithmus: Im Realbetrieb konnte die durchschnittliche Reisezeit von Fahrzeugen um rund zehn Prozent reduziert werden. Simulationen haben zudem gezeigt, dass das System eine Verminderung der Emissionen zwischen 15 und 20 Prozent ermöglicht hat.