Quo vadis, Auto?
Der Bordcomputer hat längst Kontakt zum Internet, die Sensorik der Assistenzsysteme wird mit jeder Fahrzeuggeneration sensibler. Ein Ausblick auf das Fahren von morgen.

(Bild: DEKRA)
Spät dran. Hastig steige ich in mein gerade neu gekauftes Auto. Das messerscharfe Display leuchtet über die komplette Innenraumbreite auf. „15. September 2025, 8:24 Uhr, Reichweite 287 km“ steht dort. Glasklar meldet sich die virtuelle Beifahrerin aus den Lautsprechern „Guten Morgen, Herr Broich, angesichts der ermittelten Verkehrslage werden Sie Ihren Termin um 10.30 Uhr in der Handwerkstraße 15 in Stuttgart leider um 18 Minuten verfehlen, soll ich Herrn Dr. Neumann per E-Mail benachrichtigen?“ „Nein, ich möchte versuchen, den Termin zu erreichen“, gebe ich zurück. „Das wird nur mit temporären Geschwindigkeitsüberschreitungen möglich sein“, kommt es sofort zurück.
Kein Anflug von Missmut in der Stimme, dennoch mache ich mir kurz Gedanken, ob meine ausgesprochenen Vorsätze eigentlich irgendwo im Netz gespeichert werden. Anfangs fahre ich noch rein elektrisch, aber schnell wird klar, dass der konventionelle Dreizylinder einspringen muss bei meinem schweren Gasfuß. Beim Einfädeln auf die A 8 gebe ich an den Autopiloten ab und sage: „Autobahntempo plus 10 Prozent.“ Während ich die ersten E-Mails aufrufe, meldet sich die digitale Beifahrerin noch mit der neuen Ankunftszeit. Nur noch sechs Minuten drüber, das dürfte noch okay sein.
Unterstützung ist längst Standard
Was 2015 in Ansätzen bei Oberklasse-Fahrzeugen bereits Realität war, ist heute, zehn Jahre später, auch in kleineren Fahrzeugen Standard. Viele Assistenztypen greifen noch stärker ins Geschehen ein, doch das Grundprinzip des Autofahrens hat sich seit den Anfängen des Massenverkehrs im 20. Jahrhundert nicht verändert. Unter der Haube der meisten Autos stecken noch immer Diesel- oder Otto-Aggregate, wenn auch unterstützt von Elektromotoren.
Unterstützt werden die Fahrer von ganz anderen Komponenten: Leistungsfähige Sensorik samt geballter Computer-Power ist an Bord. Die Sprachsteuerung funktioniert wie ein echtes Gespräch. Hochpräzise, mehrstrahlige Laser scannen Objekte im Nahbereich, während bildverarbeitende Videosysteme Objekte in der Ferne aufspüren und außerdem dabei helfen, die Fahrspur unter Kontrolle zu halten. Das Auto weiß, was rundum geschieht, und es besitzt längst eine Software, die die Ergebnisse der vielen Detektoren bündelt und eine Informationsbasis schafft, auf deren Grundlage das Auto Fahrentscheidungen trifft. Was wir uns vor einem Jahrzehnt noch von Carto-Car und Car-to-X-Kommunikation erträumten, ist teilweise wahr geworden. Die Fahrzeuge melden sich gegenseitig Verkehrsstörungen, teilweise bekommen sie die direkt von der Straße geliefert.
Der Rechner übernimmt das Auto
Auf meinem Assistenzsystem-Display meldet sich soeben eine Baustelle, die signalisiert mir, dass sich vor ihr der Verkehrsfluss auf drei Kilometer Länge unter Tempo 30 verlangsamt. Das bedeutet neben dem Sicherheitsplus auch einen gewaltigen Komfortgewinn für mich und die anderen Autofahrer. Auf der Autobahn kann man das Steuer ja bereits seit ein paar Jahren aus der Hand geben. Man musste sich bis dato zwar noch selbst einfädeln, danach übernahm der Rechner allerdings das Fahrgeschäft. Nach und nach kamen weitere Funktionen dazu: Inzwischen muss ich nur noch die gewünschte Geschwindigkeit einstellen, und der Wagen steuert sogar Überholvorgänge in Eigenregie.
Den Weg zur Ausfahrt und in die City schafft er mittlerweile auch allein. In der Stadt sind noch nicht viele Fahrzeuge fit fürs selbstständige Fahren. Oberklasse-Limousinen koppeln Signale aus dem Car-to-X-Netz mit ihren Kamerasystemen. Sie sind in der Lage, grüne von roten Ampeln zu unterscheiden. Mit Echtzeitkalkulation der Verkehrsdichte lässt sich zudem der bestmögliche Startpunkt in einem variablen Zeitfenster festlegen und die Strecke zur Arbeit schon zu 80 Prozent autonom zurücklegen.
Fünf Milliarden Euro für eine Minute
Ganze 50 Minuten bringt der durchschnittliche Fahrer täglich im Auto zu — das ist wertvolle Zeit, die es zu verwerten gilt. Eine Roland-Berger-Studie bezifferte schon 2015 eine einzige Minute der Internetnutzung im Auto auf fünf Milliarden Euro globalen Ertrag für die Industrie der neuen Medien. Sie hatten den richtigen Riecher.
Bis zum vollautonomen Fahren scheint es selbst 2025 noch ein weiter Weg. Aus dem Stand heraus in den fließenden Verkehr einzubiegen ist da ebenso tabu wie komplexe, innerstädtische Kreuzungen zu passieren. Auch schmale Gassen historischer Ortskerne fordern noch den Mensch als Fahrer. Die Teilautomatisierung des Fahrens ist klasse, ich kann mich im Stop-and-go-Verkehr Sachen widmen, die mir früher Punkte in Flensburg eingebracht hätten.
Um exakt 10.04 Uhr vermeldete meine virtuelle Begleitung: „Ziel erreicht.“ Ich gebe zu, auf einem freien Autobahnstück habe ich selbst eingegriffen und es laufen lassen. Wie schön, dass man automatisiert fahren kann, aber nicht muss.
Automatisiert, aber sicher!
Am Lausitzring in Klettwitz prüft DEKRA Assistenzsysteme und automatisierte Fahrzeugtechnologien auf Herz und Nieren. Seit Neuestem auch im städtischen Umfeld auf speziell eingerichteten Citykursen. Die Erprobungen sind von zentraler Bedeutung – denn von der Sicherheit und Zuverlässigkeit der Systeme hängt die Akzeptanz seitens der Gesellschaft ab.
Networking auf der Straße
Im Individualverkehr gilt die V2X-Kommunikation (Vehicle-to-Everything) als Technologie der Zukunft für einen flüssigeren Verkehr und die Verminderung von CO2-Emissionen. Gleichzeitig dürfte das vernetzte Fahren die Fähigkeiten automatisierter Fahrzeuge im Hinblick auf Sicherheit, Effizienz und Autonomie auf ein höheres Level heben.