Abgasmessung der Zukunft: weltweit einheitlich (Teil 2/3)

WLTP steht für „Worldwide harmonized Light vehicle Test Procedure“. Der Name macht’s deutlich: Statt nur für Europa soll dieser Test weltweit gelten. „Zudem soll er ein realistischeres Bild liefern, trotzdem aber reproduzierbar sein“, verdeutlicht DEKRA-Experte Erik Pellmann den Testansatz.

Abgasmessung WLTP

Künftig werden Abgasmessungen im Rahmen des Typgenehmigungsverfahrens durch so genannte RDE-Messungen auf der Straße ergänzt. (Bild: Dörte Neitzel)

„Doch realistisch heißt nicht überall dasselbe“, sagt der DEKRA-Spezialist für Abgasmessung. Was er damit meint: Da die unterschiedlichen Vorstellungen und Anforderungen an einen praxisorientierten Testzyklus von Europa bis Asien sehr weit auseinanderliegen, konnte man sich lange nicht auf einen einzigen, weltweiten Standard einigen.

Berg, Tal und Höchstgeschwindigkeit

„Ein realistischer Testzyklus in Österreich würde viele Berge beinhalten, einer in Dänemark dagegen keine“, ergänzt der Leiter des DEKRA Automobil Test Centers (DATC) Volker Noeske. Auch die Höchstgeschwindigkeit innerhalb der Tests ist keineswegs einheitlich: Autos in Deutschland erreichen mühelos 130 km/h, ohne unter Volllast zu fahren. Indische Autos stoßen vielleicht schon bei 100 km/h an ihre Grenze. Für den WLTP wurde daher ein Kompromiss gefunden: Es wird vier Fahrzeugklassen geben, in denen die Autos geprüft werden: C1, C2, C3a und C3b. Je nach Masse-Leistungs-Verhältnis des Autos kommt ein anderer Testzyklus zum Einsatz. In Europa beispielsweise gilt der Zyklus C3b, in dem Fahrzeuge getestet werden, die mehr als 120 km/h schnell sind.

Insgesamt verbringt das Auto beim WLTP 30 Minuten auf dem Prüfstand und fährt etwa 23 Kilometer. Im Gegensatz zum NEFZ werden beim Test unter anderem Sonderausstattungen oder der Ruhestrom-Bedarf berücksichtigt. „Allerdings wird auch der WLTP – wie sein Vorgänger – ein reiner Labortest sein“, so Volker Noeske. Dabei lächelt der Leiter des DATC allerdings wissend und legt seine Hand auf ein weiteres Fahrzeug, dem eine Art Koffer auf die Anhängerkupplung geschnallt wurde. „Um dieses Manko auszugleichen, wird zusammen mit dem WLTP eine reale Straßenmessung eingeführt, kurz RDE genannt.“

Abgasmessung WLTP

Beispiel für eine WLTP-Messung. (Bild: DEKRA)

RDE – Abgasmessung auf der Straße

Beim RDE-Verfahren (Real Driving Emissions) wird eine Straßenfahrt absolviert, gemessen wird der Ausstoß an Stickoxiden (NOx) und Kohlenstoffmonoxid (CO). Voraussichtlich ab 2020 kommt die Partikelmessung sowohl für Diesel- als auch für Ottomotoren hinzu. Am Heck des zu messenden Autos bringt der Techniker dafür ein sogenanntes PEMS-Gerät an.

PEMS steht für „Portable Emissions Measurement System“, also für ein tragbares Abgasmessgerät. Das Gerät hat die Form eines mittelgroßen Koffers, es enthält die Messtechnik und ist über ein Rohr mit dem Auspuff verbunden. Die Messwerte überträgt das PEMS-Gerät an einen Laptop. Dieser sammelt gleichzeig Informationen über zahlreiche weitere Sensoren, die ebenfalls am Auto angebracht sind – etwa über Temperatur- oder Höhenmesser.

Ein solcher Test braucht seine Zeit: Allein um das Messsystem am Testfahrzeug zu installieren, benötigen die DEKRA Tester etwa einen halben Tag. Hinzu kommen die Fahrt und die Auswertung der Ergebnisse. „Das macht eine RDE-Messung um einiges aufwändiger als Tests auf dem Prüfstand“, sagt Erik Pellmann.

Enge Vorgaben für die Praxisfahrt

Die Ingenieure merken an, dass RDE-Fahrten nie 1:1 reproduzierbar seien. „Trotzdem sind sie so weit wie möglich standardisiert, denn es gibt zahlreiche Anforderungen an die Umgebung, den Fahrzeugzustand und die Strecke“, sagt der Abgasexperte und beschreibt einige der Testbedingungen: Zunächst darf die Fahrzeugmasse 90 Prozent der Nutzlast nicht überschreiten, inklusive Fahrer, Beifahrer, Messtechnik und Stromversorgung. Auch muss die Umgebungstemperatur während der Fahrt zwischen 0 und 30°C liegen und die Klimaanlage soll im Normalbetrieb laufen.

Die Strecke, für die zwischen 90 und 120 Minuten veranschlagt sind, soll einen städtischen (34%), einen ländlichen (33%) und einen Autobahnteil (33%) beinhalten. Dabei darf sie nicht höher als 700 Meter über dem Meeresspiegel liegen. Auf der Fahrt dürfen höchstens 100 Höhenmeter überbrückt werden. Auf der Autobahn soll zwischen 90 und mindestens 110 km/h gefahren werden, jedoch möglichst nicht schneller als 145 km/h.

Für die Durchschnittsgeschwindigkeit in der Stadt gilt ein Rahmen zwischen 15 und 30 km/h. Auch mehrere Stopps von mindestens zehn Sekunden müssen die Tester einplanen. „Kommen allerdings ungeplante, längere Unterbrechungen dazu, muss die Fahrt wiederholt werden“, beschreibt Erik Pellmann mögliche Fallstricke. Aus der Luft gegriffen ist das nicht. Das wissen die Tester, seit einer von ihnen auf einer RDE-Fahrt einmal in eine Polizeikontrolle geriet.

Vergleichbare Messwerte

Da RDE trotz dieser detaillierten Vorgaben immer noch große Varianzen zeigt, werden die Messwerte normalisiert. Das heißt, sie werden vergleichbar gemacht. „Denn eine Fahrt bei 1°C und auf 600 Höhenmetern ist nun einmal nicht direkt vergleichbar mit einer Fahrt bei 29°C im Flachland“, erklärt der DEKRA-Ingenieur. Bis 2020 dürfen diese normalisierten Abgaswerte der RDE-Fahrt noch 2,1-fach über den gemessenen WLTP-Werten liegen. Ab 2020 werden die Zügel angezogen und der Faktor sinkt auf 1,5. „Das soll den Schadstoffausstoß noch einmal deutlich senken“, sagt der DEKRA-Experte.

Der Weg ist also klar: Abgas- und Verbrauchsuntersuchungen auf dem Prüfstand wird es auch weiterhin geben. Allerdings werden diese durch einen veränderten Fahrzyklus der Realität wesentlich besser angenähert. Dafür sorgt auch die echte Straßenfahrt, selbst wenn längst nicht jeder Faktor berücksichtigt werden kann. Nehmen wir nur das Fahrverhalten. „Ein wesentlicher Faktor sitzt letztendlich immer noch hinterm Steuer“, sagt Test-Center-Chef Volker Noeske.

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