Wenn sich das Zebra plötzlich aufbäumt
Von Großbritannien bis Japan: Der Zebrastreifen hat es weit geschafft. Doch nicht überall kann sich ein Fußgänger darauf verlassen, dass ein Fahrzeug auch wirklich hält.

In Japan dürfen Passanten erst mit Vorrang auf dem Zebrastreifen losmarschieren, wenn eine Ampel auf Grün schaltet. Foto: Fotolia Jan Becke
In Marokkos Hauptstadt Rabat sowie in den Metropolen Casablanca und Marrakesch waren der ‚Maghreb Post‘ zufolge im Dezember 2017 viele Fußgänger höchst erstaunt, als sie nach dem Überqueren einer Straße von der Polizei gestoppt wurden. Die Beamten zogen ihre Strafmandats-Kladden heraus und sprachen Bußgelder zwischen 25 und 50 marokkanischen Dirham aus. Das Vergehen der Passanten: Sie waren nicht über die nahen Überwege gegangen. Dass Zebrastreifen ernst zu nehmen sind, war den Marokkanern neu, wie so vielen auf der Welt.
Es gibt Orte, da scheinen Zebrastreifen Garanten dafür zu sein, dass ein Auto nicht hält. Die Parkplätze von Einkaufszentren gehören dazu – wo es um die Jagd nach Schnäppchen geht, wird auf Zebras, Kinder und andere Lebewesen wenig Rücksicht genommen. Ähnlich in einigen europäischen Ferienorten und Touristenhochburgen: Mit Schwimmente und Tigerbadehose im Gepäck bremsen Autofahrer etwa in Italien äußerst ungern, wenn Menschen auf tierisch auffälligen Streifenmarkierungen sicher die Straße überqueren wollen. Die Quintessenz des internationalen Umgangs mit Zebrastreifen: Fußgängerüberweg betreten – auf eigene Gefahr. Am Fußgängerüberweg abrupt bremsen – ebenfalls auf eigene Gefahr.
Die Verkehrsregeln in vielen Ländern kommen zwar den deutschen Vorschriften nahe. Der Umgang damit weniger. In Deutschland wird nach Paragraf 26 der Straßenverkehrsordnung (StVO) von den Fahrzeuglenkern erwartet, dass sie verlangsamen, anhalten und warten, sobald ein Passant zu Fuß, beziehungsweise in einem Roll- oder Krankenfahrstuhl, entschlossen einen Zebrastreifen ansteuert oder bereits darüber geht.

Nicht alle Autofahrer bremsen selbstverständlich an Fußgängerüberwegen. Foto: Karl-Heinz Augustin
Wartet ein Fahrzeug an einem Zebrastreifen, darf es keinesfalls überholt werden. Zwei- und dreistellige Bußgelder und jeweils einen Punkt in Flensburg drohen bei Missachtungen.
„Es ist irritierend, dass die Hinweisschilder an Fußgängerüberwegen in Europa fast überall gleich aussehen, obwohl es beim Verhalten der Autofahrer große Unterschiede gibt“, sagt DEKRA Unfallforscherin Stefanie Ritter. Egal wo: Fahrer sollten an Zebrastreifen verlangsamen, auch mal Augenkontakt aufnehmen und gegebenenfalls warten.
„Beatles“-Zebrastreifen mit extra Schutzstreifen
Den Zebrastreifen gibt in Deutschland übrigens seit mehr als 65 Jahren. Die Vereinten Nationen beendeten ihre Konferenz über Straßen- und Automobilverkehr im Herbst 1949 mit der Unterzeichnung eines Abkommens über den Straßenverkehr und eines Protokolls über Straßenverkehrszeichen, zu denen auch der Fußgängerübergang gehörte. Eine Ratifizierung durch die nationalen Parlamente für die zunächst 17 und mittlerweile 120 betroffenen Staaten folgte über die Jahre. Teils nachdem sich die ersten Zebrastreifen auf den Straßen quergelegt hatten, in Deutschland war das 1952 der Fall.
Die ersten Überwege in Großbritannien waren blau-gelb, bevor sie zum weiß-schwarz gestreiften „Zebra Crossing“ – so ihr Spitzname, den ihnen Ex-Premier James Callaghan verlieh – wurden. Im Geburtsland der „Zebra Crossings“ bleiben nicht nur Motoristen, sondern sogar Fußgänger am „Beatles“-Zebrastreifen, der auf dem Cover des Albums Abbey Road zu sehen ist, stehen – um Fotos zu schießen: Deshalb musste dort ein extra Schutzstreifen eingerichtet werden.
600 Euro Bußgeld in Italien
In Italien besteht zwischen Riviera und Adria erst seit 2010 die Pflicht anzuhalten und kostet den, der die Regel nicht beachtet und erwischt wird, 600 Euro Bußgeld. Ein Fahrschullehrer warnt auf seiner Website weiterhin: „Anders als in Deutschland wird in Italien nicht auf Zebrastreifen geachtet. Aus diesem Grund sollten Sie nie unvermittelt an diesen bremsen, da das bei dem nachfolgenden Verkehr auf Unverständnis stößt und leicht zu Auffahrunfällen führen kann.“
„Wow, hier halten Kraftfahrzeuge für Fußgänger immer an, ganz ohne Zebrastreifen“, berichteten Deutsche, die nach Kanada ausgewandert waren, schon vor ein paar Jahren begeistert in ihre alte Heimat. In Österreich eilen die Passanten regelkonform über Zebrastreifen. Wenn ein Fußgänger jedoch eilig zurückspringen muss, weil ein Auto nicht deutlich anhält, kostet der Verstoß den Fahrer mehr als 2.000 Euro.

In Großbritannien wurde der Zebrastreifen erfunden. Foto: Alexander Berg
Mit optischen 3D-Animationen Unfälle vorbeugen
In Finnland und Japan dürfen Passanten erst dann mit Vorrang auf dem Zebrastreifen losmarschieren, wenn die Ampel auf Grün schaltet. In China sind neuerdings smarte Zebrastreifen zu sehen, die Menschen erkennen und deren Wartezeiten auf grüne Ampelschaltungen verkürzen.
Und wenn sich das Zebra plötzlich aufbäumt, hat es einen besonderen Effekt. Mit optischen, zeichnerischen 3D-Animationen experimentieren etwa Island, China, Spanien, Australien, Neuseeland, Malaysia, Indien und die USA, um die Unfallzahlen an Fußgängerüberwegen zu senken. Und das erfolgreich.

Mit 3D-Bildern weisen etwa China, Island und Spanien Fahrer und Fußgänger auf einen Überweg hin. Foto: Fotolia – artfocus
Zu erbosten Szenen kommt es immer wieder in Polen, wo ein Zebrastreifen an den nächsten anzuschließen scheint. Dort haben Kraftfahrer Vorrang: Nähern sich Autos und Lkw, sollte der Fußgänger die Schutzzone nicht betreten. Nur wenn er bereits auf dem Zebrastreifen geht, müssen Lastkraftwagen und Co. halten. Ähnlich ist es in Dänemark, wo ein vorsorglich stoppender Fahrer sogar wegen „unbegründeten Bremsens“ belangt werden kann.

In Dänemark ist es für Autofahrer nur ratsam, an einem Zebrastreifen zu bremsen, wenn sich bereits Fußgänger darauf befinden. Foto: Matthias Rathmann
Übrigens: Radfahrer zahlen in Deutschland auch ein Bußgeld, wenn sie nicht langsam an den Überweg heranfahren, obwohl ein Fußgänger sichtlich queren will. Fahrradfahrer selbst haben auf dem Zebrastreifen nur Vorrang, wenn sie absteigen. Und Straßenquerer müssen hierzulande nach Paragraf 25 Abs. 3 StVO Fußgängerüberwege nutzen, wenn diese vorhanden sind. Sonst drohen Bußgelder – genau wie in Marokko.
Automatisiert, aber sicher!
Am Lausitzring in Klettwitz prüft DEKRA Assistenzsysteme und automatisierte Fahrzeugtechnologien auf Herz und Nieren. Seit Neuestem auch im städtischen Umfeld auf speziell eingerichteten Citykursen. Die Erprobungen sind von zentraler Bedeutung – denn von der Sicherheit und Zuverlässigkeit der Systeme hängt die Akzeptanz seitens der Gesellschaft ab.
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