Schwebendes Verfahren
Wer den ÖPNV für die Zukunft fit machen will, muss Lösungen in Betracht ziehen, die sich vom klassischen Rad-Schiene-Systeme verabschieden. Eine davon ist die Magnetschwebebahn. Ein kurzer Zwischenstand.

Die zum Teil aufgeständerte Beton-Trasse für den TSB hat eine Länge von 800 Metern. Foto: Firmengruppe Max Bögl
Unter Städte- und Verkehrsplanern gilt es als ausgemacht, dass der Öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) ein umfassendes Fitnessprogramm benötigt, um auf lange Sicht die wachsende Nachfrage nach Mobilität in den Metropolen sowie zwischen Stadt und Umland zu bewältigen. Es wäre allerdings kaum der Weisheit letzter Schluss, zur besseren Anbindung des ländlichen Raums einfach mehr S-Bahnen, Straßenbahnen und U-Bahnen aufs Gleis zu setzen. Erstens lassen sich schon heute Züge verschiedener Baureihen und Bauserien nicht ohne weiteres miteinander kuppeln, was gemischte Zugverbände schwierig macht. Zweitens gibt‘s eine Infrastruktur mit neuen Fahrwegen nicht gerade zum Billigtarif. Nachdenken über die Zukunft des ÖPNV bedeutet daher, auch Verkehrsträger jenseits der Kombination von Rad und Schiene einzubeziehen.
Renaissance der räderlosen Fahrzeuge im Nahverkehr
Wie wäre es zum Beispiel mit einer Schwebebahn mit räderlosen Fahrzeugen, die an eisernen Fahrschienen mittels magnetischer Felder schwebend entlang geführt wird? Die etwas umständlich anmutende Beschreibung ist der exakte Titel des Reichspatents, das der Elektroingenieur und Erfinder Hermann Kemper aus Nortrup im Jahr 1934 erhalten hat. Daraus wurde Ende der 60er Jahre in Deutschland der Transrapid, dessen Karriere 2011 mit der Stilllegung der Versuchsanlage im Emsland endete. Auch im Berliner ÖPNV gab die Magnetschwebebahn in den späten 80er Jahren ein kurzes Gastspiel. Auf einer 1,6 Kilometer langen Trasse absolvierte die M-Bahn zwischen dem Gleisdreieck und dem Kemperplatz ihre Runden. Nach 100.000 Fahrkilometern und der Zulassung für den Öffentlichen Personennahverkehr war damit Schluss, weil die Anlage nach dem Fall der Mauer dem Wiederaufbau der U-Bahn-Linie 2 weichen musste.

Anders als beim Transrapid umschließt die Fahrbahn die Antriebseinheit des Fahrzeugs. Foto: Firmengruppe Max Bögl
Während die letzten Exemplare der M-Bahn im Museum Staub ansetzen, haben Stadt- und Verkehrsplaner in China, Japan und Südkorea die Weichen für eine Renaissance der Magnetbahntechnologie im mittleren und unteren Geschwindigkeitsbereich gestellt. Im Nahverkehr spielt die Techno-Musik vor allem im Reich der Mitte. Medienberichten aus China zufolge ist seit Frühjahr 2018 in Peking die elf Kilometer lange Magnetbahnlinie S 1 in Betrieb, die Distrikte im Norden und Westen der Stadt miteinander verbindet. Zudem sollen rund ein Dutzend Städte – unter anderem Tianjin, Hangzhou und Shenzhen – den Bau und Betrieb von Magnetbahnen planen.
Setzt China künftig auf deutsche Magnetschwebetechnik?
Wenn die ersten Aufträge anstehen, könnte auch deutsche Wertarbeit zum Zug kommen. Die internationale Firmengruppe Max Bögl, die seit vielen Jahren in China im Bahnbau mit Großprojekten für Hochgeschwindigkeitsstrecken aktiv ist, hat sich mit einem System für Fahrwege, Fahrzeuge und Betriebstechnik in Stellung gebracht. Max Bögl hat dazu eine Kooperation mit dem chinesischen Unternehmen Chengdu Xinzhu Road & Bridge Machinery Co. Ltd geschlossen, die Zulassung, Vermarktung und Produktion des Transport Systems Bögl (TSB) auf den Weg bringen soll.

Der Zug läuft in einem U-förmigen Profil des Fahrwegs. Für Vortrieb sorgen Elektro-Linearmotoren. Foto: Firmengruppe Max Bögl
Wer also wissen will, wie es um die Magnetschwebetechnik für den Nahverkehr steht, kann sich die Reise nach China sparen. Das geballte Know-how findet sich am Hauptsitz der Firmengruppe Max Bögl im bayerischen Sengenthal im Landkreis Neumarkt in der Oberpfalz. Seit 2012 testet Max Bögl das TSB auf einer eigens angelegten Versuchsstrecke, die auf rund 800 Meter Länge mit Steigungen und Kurven im Gewerbegebiet Schlieferheide verläuft. Ausgelegt ist das System für Streckenlängen bis zu 30 Kilometern und für Geschwindigkeiten bis zu 150 Stundenkilometern. Ein Zugverbund mit sechs Waggons kann rund 730 Personen befördern.
Transport System Bögl macht Rad-Schiene-Systemen Konkurrenz
Im Fahrbetrieb schwebt das TSB gewissermaßen eingefasst im U-Profil der Fahrbahn. Für den Vortrieb sorgen im Zug verbaute Elektro-Linearmotoren, während Elektromagnete das Fahrzeug knapp zwei Zentimeter über den Untergrund anheben. Das System läuft natürlich völlig autonom. Da der Zug die Fahrbahn im Betrieb nicht berührt, spielt Verschleiß keine große Rolle. Pluspunkte sind zudem niedrige Betriebskosten und ein sparsamer Energieverbrauch. Die Baukosten für eine zweigleisige Strecke beziffert Max Bögl auf rund 50 Millionen Euro pro Kilometer, was dem Preis für ein konventionelles System entspricht. Mittlerweile hat das TSB in Sengenthal über 125.000 Fahrten mit mehr als 75.000 Kilometern abgespult. Wie es heißt, ist das Zulassungsverfahren beim Eisenbahn-Bundesamt (EBA) fast abgeschlossen. Die Zulassung soll noch 2019 erfolgen.

Das elegante Design der Magnetbahn „Transport System Bögl“ weist weit in die Zukunft. Foto: Firmengruppe Max Bögl
Tatsächlich ist das Plazet der Behörde für die Firmengruppe weit mehr als nur ein Kompetenznachweis für die Galerie. Im Landkreis München steht nämlich neuerdings die Magnetbahn als Ergänzung zum Nahverkehr auf der Tagesordnung. Der Bundeshaushalt 2018 sieht im Etat für das Verkehrsministerium einen Einzelposten von vier Millionen Euro vor, die für die Planung einer Magnetschwebebahn am Flughafen München ausgegeben werden dürfen. Gut möglich, dass Max Bögl demnächst mit dem TSB am Airport schwebt.