Carsharing – die Mobilität der Zukunft?
Carsharing-Anbieter wollen ihr Angebot im neuen Mobilitätsmix etablieren. Die Zahlen von Anfang des Jahres zeigen, dass der Markt stetig wächst. Ein Wermutstropfen: Die Corona-Pandemie hat zu deutlichen Rückgängen im Carsharing-Geschäft geführt.

Die Nachfrage nach Carsharing war groß – bis Corona den Boom stoppte. Foto: Shutterstock – Macrovector
Ob Karlsruhe, Utrecht oder Montpellier: Immer mehr Städte bieten ein umfangreiches Angebot an Carsharing-Diensten. Im Jahr 2019 haben sich allein in Deutschland dem Bundesverband CarSharing (bcs) zufolge 45 neue Anbieter auf dem Markt etabliert. Seit Anfang 2020 gibt es in 840 deutschen Städten und Gemeinden ein Carsharing-Angebot, 100 mehr als im Vorjahr. Die Zahl der angemeldeten Carsharing-Kunden belief sich auf fast 2,3 Millionen. Davon knapp 1,6 Millionen im sogenannten „Free-floating“-Bereich: Das bedeutet, dass Autos stationsunabhängig und dort zu finden sind, wo der letzte Kunde sie abgestellt hat. 710.000 Kunden nutzen hingegen das stationsabhängige Carsharing. Während die letztere Nutzungsart einen Anstieg von 9,3 Prozent verzeichnet, sind die Kundenzahlen beim Free-floating gegenüber dem Vorjahr um 12,7 Prozent gesunken. Der Grund: Die beiden Anbieter car2go (Daimler) und DriveNow (BMW) haben ihre Flotten vereint zum neuen Anbieter ShareNow. Zuvor doppelt angemeldete Kunden tauchen in der bereinigten Statistik nur noch einmal auf. Weltweit sind die Zahlen aller Kunden nach Angaben der Unternehmensberatung Kearney rasant gestiegen: von 7 Millionen Nutzern 2015 auf 27 Millionen im Jahr 2018.
Carsharing-Anbieter weiten ihr Angebot an Fahrzeugen weiter aus
Vor allem Free-floating ist für spontane Trips geeignet, wobei die Voraussetzung hierfür schnell verfügbare Fahrzeuge sind. Die Anbieter wollen für mehr Attraktivität sorgen, indem sie das Angebot von Fahrzeugen laut bcs um fast 50 Prozent von 9.000 auf 13.400 Fahrzeuge erhöhen. Dass dies ein wichtiger Schritt ist, zeigt eine Erhebung der Unternehmensberatung Kearney. Um herauszufinden, wie es tatsächlich um das Carsharing steht, wurden mehr als 1.000 Personen in Deutschland, Großbritannien und der USA befragt, wobei die Hälfte Carsharing-Kunden waren. Fehlende Verfügbarkeit, nicht vorhandene Privatheit, wie zum Beispiel persönliche Dinge im Auto aufzubewahren, und das Bedürfnis nach persönlicher Unabhängigkeit sind die drei größten Kritikpunkte am Carsharing. Kunden wollen möglichst schnell und am besten immer ein Fahrzeug in der Nähe zur Verfügung haben. Im Städteranking des bcs stillt Karlsruhe dieses Bedürfnis am besten. Hier kommen im Schnitt 3,23 Fahrzeuge auf 1.000 Einwohner, gefolgt von München mit 2,13 und Hamburg, wo 1,61 Fahrzeuge pro 1.000 Einwohner zur Verfügung stehen. Doch auch kleinere Städte können von diesem Trend profitieren, denn es gibt in 445 Orten in Deutschland mit weniger als 20.000 Einwohnern ebenfalls stationsbasiertes Carsharing. Dass die gemeinsame Nutzung von Fahrzeugen die Mobilität der Zukunft sein sollte, steht für Kerstin Haarmann, Bundesvorsitzende des Verkehrsclubs Deutschland (VCD) außer Frage: „Individuelle Mobilität ist zukünftig digital – in der Stadt und auf dem Land. Carsharing setzt genau an der richtigen Stelle an: Für einzelne Wege leihe ich mir zukünftig das Auto, das ich gerade brauche.“ Auch Deutschlands größter Dienstleister im Free-floating-Bereich ShareNow rechnet damit, dass Carsharing auch weiterhin eine wichtige Rolle im modernen Mobilitätsmix spielen wird. Damit Carsharing tatsächlich ein Erfolgsmodell wird, empfehlen die Autoren der Kearney-Erhebung, die Dienste besser in den öffentlichen Verkehr einzubinden und auch Anreize zu schaffen, wie zum Beispiel kostenloses Parken in der Stadt.

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Corona-Pandemie bremst Carsharing ein
Das Mantra der letzten Wochen und Monate lautete jedoch: Daheim bleiben für die Gesundheit. Dies hatte spürbare Folgen für den zuletzt stetig wachsenden Carsharing-Markt. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt e. V. (DLR) hat in einer aktuellen Studie 1.000 Personen zu ihrer Verkehrsmittelnutzung befragt. Demnach fühlen sich 39 Prozent bei der Nutzung von Carsharing-Angeboten seit Beginn der Krise unwohler oder sogar deutlich unwohler. Dies zeigt sich auch in den Zahlen der Anbieter. Laut bcs wurden Carsharing-Autos 50 bis 80 Prozent weniger gebucht als im Vorjahr. Der Carsharing-Dienstleister Cambio verzeichnete nach eigenen Angaben in mehreren Städten einen Rückgang von 40 bis 80 Prozent. Bei teilAuto, die in 20 Städten in Deutschland aktiv sind, belief sich der Rückgang auf 80 Prozent, sodass die Flotte verkleinert wurde, um Fixkosten zu senken. ShareNow berichtet auf Anfrage von einem starken Rückgang im März und April insbesondere in Spanien und Italien, aber auch in allen anderen Märkten. Insbesondere durch die Einbrüche in Folge der Corona-Krise sind neue Ansätze im Carsharing-Bereich gefragt.
Plattform #weallmove hilft bei der Fahrzeugsuche in Krisenzeiten
Auch der öffentliche Nahverkehrsbereich ist von dieser Krise nicht ausgenommen. Derzeit ist diese Mobilitätsform am unbeliebtesten. Der DLR-Befragung zufolge fühlen sich 63 Prozent der Deutschen in Bus und Bahn nicht (mehr) wohl, weshalb viele auf das eigene Auto umsteigen. Genau hier setzt die neue Plattform #weallmove unter Beteiligung von mehr als 65 Mobilitätsunternehmen aus Europa, den USA und Südamerika an. Für alle, die kein eigenes Auto haben, und auch für Unternehmen, die während der Krise dringend Fahrzeuge benötigen, soll eine zentrale Vermittlungsplattform Abhilfe schaffen. Wie auf der Website zu sehen, ist #weallmove ein Teil des globalen Aktionsplans des Weltwirtschaftsforums für Covid-19. Die Plattform richtet sich vor allem an Pflegekräfte, Lieferdienste und Mitarbeiter im Lebensmittelhandel, die in den vergangenen Wochen nicht die Option hatten, daheim zu bleiben. Mit innovativen Ansätzen, die sich flexibel den Gegebenheiten anpassen, lassen sich auch zukünftig situations- und bedarfsgerechte Mobilitätslösungen etablieren.

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