Cargobikes – antreten zum Transport
Cargobikes mit elektromotorischer Tretunterstützung bis Tempo 25 und einer Nenndauerleistung bis 250 Watt gelten rechtlich als Fahrräder. Aber welches Bike kommt für einen Job in der City-Logistik überhaupt in Frage? Und welche Regeln sind im Fahrbetrieb zu beachten? Der DEKRA Experte gibt Antworten.
Der elektrische Antrieb ist zweifellos ein Gamechanger für eine nachhaltige City-Logistik. Auf einem anderen Blatt steht allerdings die Frage, ob der Elektromotor dann auch stets in einem herkömmlichen Kraftfahrzeug stecken muss. Schließlich gibt es mit Lastenrädern eine ernsthafte Konkurrenz für Sprinter und Co. Längst treten nicht nur Post- und Paketboten in die Pedale ihrer Transport- und Lastenräder. Auch Stückgut mit überschaubaren Abmessungen und praktikablem Gewicht lässt sich aufs Cargobike packen. Mit dem geeigneten Behälter sind Transporte von Blutproben und Medikamenten, Blumen, Tiefkühlkost und Essen auf Rädern kein Problem. Der Nationale Radverkehrsplan, den das Bundeskabinett noch im Frühjahr beschließen will, sieht im Rad einen wichtigen Verkehrsträger für den urbanen Lastenverkehr. „Intelligente City-Logistik“, heißt es in dem Papier, „bedeutet eine stärkere Einbeziehung des Lastenfahrrads.“ Tatsächlich haben die Lastenräder in den letzten Jahren ein rasantes Wachstum hingelegt. Dem Zweirad-Industrie-Verband (ZIV) zufolge wurden im Jahr 2019 rund 54.000 Lastenräder mit elektrischer Unterstützung verkauft, was ein sattes Plus von 40 Prozent gegenüber dem Vorjahr bedeutet. Auch für 2020 erwartet der Verband weitere Steigerungen.
Ein gutes Cargobike fürs Gewerbe braucht Nehmerqualitäten
Einen erheblichen Anteil am Boom der Lastenräder haben gewerbliche Anwendungen. Ein handfestes Argument dürften hier die Fahrzeugkosten sein – bei den Lastenrädern fallen die Total Costs of Ownership geringer aus als beim Kraftfahrzeug. Dazu kommt, dass der Gesetzgeber die Räder bislang an der langen Leine laufen lässt. Als Pedelec 25 sind für den Betrieb weder eine Zulassung noch eine Haftpflichtversicherung erforderlich. Die Fahrer brauchen keinen Führerschein, dürfen den Radweg benutzen und vielerorts Einbahnstraßen gegen die Richtung befahren. Im gewerblichen Bereich sind Transporträder überwiegend als dreirädrige Front- und Hecklader auf Achse. Hier sind gewisse Nehmerqualitäten gefragt. „Die Anforderungen an ein Cargobike gehen bei Weitem über das Normalmaß für Fahrräder hinaus. Lastenräder müssen bei hoher Beladung erhebliche Belastungen aushalten, die durch den Zusatzantrieb noch erhöht werden“, erklärt DEKRA Unfallforscher Luigi Ancona .
Logistikgerechte Cargobikes benötigen mehr Leistung
Wie ein logistikgerechtes Lastenrad aussehen sollte, das klärt gerade die Technische Hochschule Nürnberg im aktuellen Forschungsprojekt „PedeListics“, das die Potenziale schwerer Lastenräder im Lastenverkehr in den Fokus stellt. Das ideale Cargobike ist demnach zweispurig und ermöglicht ein Ladevolumen von mehr als 1,5 Kubikmetern sowie eine Zuladung von mindestens 250 Kilogramm. Damit das Bike einen Radweg nutzen kann, ist zudem eine maximale Breite von einem Meter gefragt. Ebenfalls zwingend ins Lastenheft gehören sichere Fahreigenschaften, Wendigkeit, hohe Zuverlässigkeit sowie lange Serviceintervalle. Ein besonderes Anliegen der Forscher betrifft die Leistung der Cargobikes. Für den Fahrer kann ein vollbeladenes Fahrzeug ein echter Knochenjob werden – gerade beim Anfahren und Beschleunigen kommt die Tretunterstützung mit der für ein Pedelec 25 zulässigen Leistung an ihre Grenzen. Die Wissenschaftler schlagen daher vor, Cargobikes für eine Leistung von 750 Watt freizugeben.
Der Fahrer muss das Cargobike auch mit voller Ladung beherrschen
In der Praxis spielen die Lage, Verteilung und Sicherung der Last eine Rolle für das Fahrverhalten der Lastenräder. Insbesondere eine hohe Zuladung kann sich auf die Fahrdynamik auswirken. Dazu kommt, dass sich das Fahrverhalten im Vergleich zum herkömmlichen Fahrrad deutlich unterscheidet. Ein mehrspuriges Cargobike lässt sich nicht einfach in die Kurve legen. Über die Fahrlinie entscheidet nämlich nicht die Verlagerung des Körperschwerpunktes, sondern die Lenkbewegung. DEKRA Experte Luigi Ancona empfiehlt Einsteigern daher, vor der ersten Dienstfahrt Fahrmanöver wie Kurvenfahrt, Bremsen und Anhalten auszuprobieren. Auch die Ladungssicherung erfordert Aufmerksamkeit. „Das Ladegut sollte so gesichert werden, dass es in der Kurve oder bei einer starken Bremsung nicht verrutschen oder herabfallen kann. Dazu kann auch eine formschlüssige Ladung in der Ladebox beitragen“, erklärt Luigi Ancona. Geeignete Hilfsmittel zur Ladungssicherung sind Antirutschmatten, Sicherungsnetze, Spanngurte und Abdeckungen. Als Faustregel gilt, dass schweres Ladegut auf dem Cargobike nach unten gehört, um den Schwerpunkt möglichst weit nach unten zu verlagern.
Lastenräder haben noch viel Potenzial in der City-Logistik
Die jüngsten Highlights der Branche warten mit neuen Konstruktionen und Technologien auf. Das Elektrokleinstfahrzeug SurbX zum Beispiel ist ein für kurze Distanzen ausgelegter Hightech-Lastenroller mit einer Transportplattform für Euroboxen, Cateringboxen und Postbehälter. Ein rekuperierender Elektroantrieb im Hinterrad sorgt für die nötige Tretunterstützung und für die zusätzliche Reichweite des dreirädrigen Rollers. Ein veritables XXL-Bike ist das sechseinhalb Meter lange Schwerlastrad „Megaliner“, das eine Zuladung bis 500 Kilogramm erlaubt und drei Europaletten auf der Ladefläche schultert. Eine neue Kategorie des Lastenrads stellt gerade das Mobilitäts-Start-up Bio-Hybrid auf die Räder. Das vierrädrige Pedelec sieht aus wie ein kleines Auto, ist aber in der Cargo-Variante ein mit aufwändiger Technologie ausgestattetes Lastenbike. Zur Wahl stehen eine offene Ladefläche und eine geschlossene Ladebox. Weit in die Zukunft des Cargobikes reicht das Forschungsprojekt des Engineering-Unternehmens IAV und des Forschungszentrum Informatik (FZI) – auf der Agenda steht ein intelligentes E-Lastenrad, das den Fahrer erkennt und ihm bei der Zustellung autonom auf den Fuß folgt.
Sicher parken, besser ankommen
Sichere Lkw-Parkplätze sind nach wie vor Mangelware. Der EU-weit einheitliche Sicherheitsstandard für Lkw-Parkareale soll den Gütertransport gefahr- und stressfreier gestalten. Digitale Buchungsplattformen helfen dabei, die Stellflächen effizienter zu nutzen und den Alltag von Berufskraftfahrenden komfortabler zu machen.