Mit dem Wohnmobil unterwegs – Abenteuer pur

Echte Reisemobilisten lieben Ordnung im Inneren des Fahrzeugs. Schließlich genügt ein scharfes Bremsmanöver, damit alles, was nicht niet- und nagelfest herumliegt, sich in gefährliche Geschosse verwandelt. Wir haben den DEKRA Experten Peter Rücker gefragt, wie sich Risiken bei Beladung und Ladungssicherung vermeiden lassen.

Beim Beladen des Reisemobils sollte man auch auf eine ausgewogene Lastenverteilung zwischen den Achsen achten. Foto: Shutterstock Andrey Armyagov

Wer mit dem Reisemobil in den Urlaub fährt, erwartet am liebsten hinter jedem neuen Horizont ein anderes Aha-Erlebnis. Allerdings will das Abenteuer gut vorbereitet sein. Gerade bei Ladung und Ladungssicherung überlassen Profis nichts dem Zufall – schließlich ist das Reisemobil nicht nur eine Ferienwohnung auf vier Rädern, sondern auch ein Verkehrsmittel, das den einschlägigen Paragrafen der Straßenverkehrsordnung ebenso wie den Gesetzen der Fahrphysik unterliegt. Was letzteres in der Praxis bedeutet, weiß DEKRA Experte Peter Rücker. „Schon bei einer Vollbremsung aus 50 Stundenkilometern entstehen enorme Beschleunigungskräfte“, erklärt der Leiter der DEKRA Unfallforschung. Die dekorative Blumenvase auf dem Klapptisch, der Laptop auf dem Sofa und das Frühstücksgeschirr in der Spüle würden sich in diesem Fall in gefährliche Geschosse verwandeln, denen man besser nicht in die Flugbahn kommt. Und wenn der Beifahrer bei einem scharfen Ausweichmanöver oder einer Kollision mit dem Vordermann gerade in der Mini-Küche Kaffee kocht? Für Peter Rücker ist allein die Vorstellung ein Graus. „Während der Fahrt müssen alle Mitreisenden auf den dafür vorgesehenen Plätzen sitzen und angeschnallt sein. Einen Tisch im Sitzbereich sollte man zur Seite klappen oder demontieren, um bei einem Unfall Verletzungen zu vermeiden“, erläutert der Experte.

Eine ausgewogene Lastenverteilung sichert die Fahrstabilität des Wohnmobils

Auch zur Ladungssicherung macht DEKRA eine klare Ansage. „Die Ladung ist so zu verstauen und zu sichern, dass sie bei einer Vollbremsung oder plötzlichen Ausweichbewegung nicht verrutschen, umfallen oder herabfallen kann“, zitiert Peter Rücker aus der Straßenverkehrsordnung (StVO). Er rät dazu, den Stauraum im Heck, unter den Sitzen sowie in Küchen- und Hängeschränken konsequent zu nutzen. Selbst in der Dusche oder der Toilette lässt sich Gepäck unterbringen. Die Faustregel für richtiges Laden: Schwere Teile gehören nach unten, leichtere nach oben. Angesagt sind dabei stets eine formschlüssige Ladung sowie der Einsatz von Spanngurten und Gepäcknetzen, um die bewegliche Habe sicher zu fixieren. Generell ist schweres Gepäck im Bereich der Hinterachse am besten aufgehoben. Allerdings sollte man auch auf eine ausgewogene Lastenverteilung zwischen den Achsen achten, um eine gute Fahrstabilität zu bewahren. Sind auch Pedelecs mit von der Partie, empfiehlt DEKRA Experte Peter Rücker die Akkus zur Sicherheit vor Fahrtbeginn zu entfernen. Zum Schutz der offenen Kontakte sollten sie dann in eine Tasche verpackt und sorgfältig im Innenraum verstaut werden.

Wohnmobil
Das Reisen mit dem Wohnmobil liegt voll im Trend. Foto: DEKRA Automobil

Am besten schon bei der Reiseplanung überflüssige Pfunde abspecken

Das kleine Einmaleins des mobilen Reisens beginnt allerdings vor der ersten Ausfahrt mit der Frage nach dem richtigen Gewicht. Die meisten Wohnmobile bieten zwar jede Menge Platz für Kind und Kegel, je nach Ausstattung kann es mit der möglichen Zuladung aber knapp werden. Allein zwei Pedelecs auf dem Heckträger bringen schon rund 150 Kilogramm auf die Waage. Es lohnt sich daher, bereits bei der Reiseplanung überflüssige Pfunde abzuspecken: Statt der gusseisernen Pfanne und dem Kaffeeservice kommt Kochgeschirr aus Aluminium und Kunststoff zum Einsatz. Auch eine Gasflasche aus Aluminium und ein Reifenpannenset fallen weniger ins Gewicht als eine Gasflasche aus Stahl und ein Ersatzreifen. Ein typischer Anfängerfehler wäre es, den Frischwassertank vor Fahrtbeginn randvoll zu füllen – jeder Liter zu viel an Bord geht auf Kosten der Zuladung. Wer auf Nummer sicher gehen will, fährt vor Reisebeginn mit dem gepackten Wohnmobil auf eine öffentliche Waage – zeigt die eine Überladung an, müssen eventuell Schlauchboot, Markise oder Vorzelt in der heimischen Garage bleiben.

Die mobile Reiseform liegt im Trend

Wer jetzt mit Kauf oder Miete aufs Wohnmobil umsteigen will, braucht Glück und Geduld, um überhaupt ein passendes Fahrzeug zu finden. Dass die starke Nachfrage anhalten könnte, legt eine im September 2020 vorgelegte Marktstudie des Caravaning Industrie Verbands in Frankfurt nahe. Demnach wächst der europäische Freizeitfahrzeugmarkt bis 2025 um rund vier Prozent. Das entspricht in der Kategorie Reisemobile rund 179.000 Neuzulassungen, wobei allein 100.000 aufs Konto des deutschen Reisemobilmarkts gehen. Einen besonders hohen Anteil an diesem Wachstum dürfte die Aufbauart Kastenwagen haben. Hier erwartet der Verband in Europa und Deutschland jeweils einen Marktanteil von 48 Prozent.

Checkliste

Welche Fahrerlaubnis ist fürs Reisemobil erforderlich?

Reisemobile gibt‘s in verschiedenen Aufbauvarianten als Camper (Kastenwagen) oder als voll – oder teilintegrierte Modelle. Welcher Führerschein dafür nötig ist, hängt von der jeweiligen Gewichtsklasse ab. Wohnmobile bis 3,5 Tonnen zulässiges Gesamtgewicht (zGG) erfordern die Klasse B, darüber und bis 7,5 Tonnen die Klasse C1. Wer den Führerschein vor 1999 erworben hat, darf mit der alten Klasse 3 auch die schwereren Kaliber fahren.

Welche Verkehrsbeschränkungen gelten für Reisemobile?

Für Reisemobile über 3,5 Tonnen zGG gelten Verkehrszeichen wie das Lkw-Überholverbot (links) und Verkehrsverbot (rechts). Foto: ETM-Verlag

Für Wohnmobile bis 3,5 Tonnen zGG gelten auf Kraftfahrstraßen und Autobahnen die gleichen Regeln wie für Pkw – über 3,5 bis 7,5 Tonnen zGG gilt außerhalb geschlossener Ortschaften Tempo 80, auf der Autobahn 100. Für Reisemobile über 3,5 Tonnen zGG gelten generell Verkehrszeichen wie Überholverbot (Zeichen 277) und Verkehrsverbot (Zeichen 253). Die Abmessungen des eigenen Fahrzeugs sollten bekannt sein – das vermeidet Überraschungen bei Tunneln und begrenzten Durchfahrthöhen.

Wie lässt sich die Zuladung berechnen?

Das zulässige Gesamtgewicht des Reisemobils ist im Fahrzeugschein beziffert. Davon zieht man das Leergewicht des Fahrzeugs, das Gewicht der mitreisenden Personen sowie der allgemeinen Ausstattung ab. Die Differenz ergibt das maximal zulässige Gewicht fürs private Gepäck. Auch der Frischwasservorrat geht ins Gewicht. Den Tank daher vor der Fahrt nur zu einem Drittel füllen – Nachschub gibt‘s an Tankstellen und Stellplätzen.

Das Wohnmobil richtig beladen

Ein tief liegender Schwerpunkt verbessert die Stabilität des Wohnmobils. Schweres Gepäck wie Campingmöbel, Vorzelt, Konserven und Gasflasche gehört weit nach unten in die Nähe der Hinterachse. Möglichst formschlüssig laden. Fahrräder am Heckträger wiegen einige Kilo – darauf achten, dass die Hinterachse nicht überlastet wird, was auf Kosten der Fahrstabilität und Lenkgenauigkeit ginge. Bei Pedelecs vorher die Akkus ausbauen und in einer Tasche im Innenraum verstauen.

Die Ladung unbedingt sichern

Während der Fahrt hat loses Gepäck im Innenraum nichts zu suchen. Das könnte sonst bei Ausweich- und Bremsmanövern oder einer Kollision zu gefährlichen Geschossen werden. Zum Beladen die Heckgarage, Staufächer mit verschließbaren Türen und den Stauraum unter den Sitzen nutzen. Die oberen Staukästen nur mit leichten Dingen beladen. Loses Gepäck mit Spanngurten und Gepäcknetzen fixieren. Im Wohnmobil gilt übrigens die Anschnallpflicht – alle Mitreisenden müssen während der Fahrt an ihren Sitzplätzen den Sicherheitsgurt anlegen.

Eine Probefahrt zum Kennenlernen

Abmessungen und Fahrverhalten eines Reisemobils sind für viele gewöhnungsbedürftig. Eine vorsichtige Probefahrt mit dem reisefertigen Fahrzeug vermittelt einen Eindruck von den Sichtverhältnissen und Eigenarten beim Bremsen, Beschleunigen und Kurvenfahren. Im Anschluss sollte man prüfen, ob die Ladung noch korrekt gesichert ist. Wer sich beim Rangieren nicht ganz sicher fühlt, sollte Unterstützung durch einen Einweiser in Anspruch nehmen. Eine gute Wahl kann vorab ein Fahrtraining auf einem Übungsplatz sein.

Technik-Check vor Fahrtbeginn

Funktionieren Bremsen, Beleuchtung und Blinker? Außerdem: Auf korrekten Reifendruck achten. Die Angaben dazu finden sich häufig auf einem Schild an der B-Säule. DEKRA rät zu einer Profiltiefe von vier Millimetern – auch wenn der gesetzliche Mindestwert nur 1,6 Millimeter beträgt Die Gasanlage muss alle zwei Jahre geprüft werden – hier auf eine aktuelle Bescheinigung achten.

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