Schicht-Arbeiten

Author: Joachim Geiger

22. Feb. 2023

Die Photovoltaik ist ein Hoffnungsträger für die Gestaltung einer CO2-freien Zukunft. Ihr ganzes Potenzial kann die Technologie allerdings erst dann ausspielen, wenn sie beim Wirkungsgrad eine ordentliche Schippe drauflegt. Auf der Jagd nach mehr Effizienz und Nachhaltigkeit haben europäische Wissenschaftler derzeit die Nase vorn.

Ginge es nach den Vorstellungen der EU-Kommission, müsste dem Dornröschenschlaf der Photovoltaik in Europa bald ein schnelles Erwachen folgen. Einem Mitte Mai 2022 veröffentlichten Papier zur EU-Strategie für Solarenergie zufolge räumt Brüssel diesem Energieträger hohe Priorität ein, um den europäischen Grünen Deal noch zu einem guten Ende zu bringen und die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen aus Russland zu beenden. Gefragt ist ein Ausbau der Kapazitäten – bei Solaranlagen auf Dächern ebenso wie bei solaren Großanlagen. Andererseits ist klar, dass ausreichende Flächen für den Aufbau von Solarmodulen landauf, landab nur in begrenzter Anzahl zur Verfügung stehen. Die eigentliche Herausforderung sieht die Kommission daher auf technologischem Feld: Das Entwicklungsziel sollte eine neue Generation von Hochleistungssolarzellen sein, die im Hinblick auf Effizienz und Nachhaltigkeit neue Maßstäbe setzt.
Der Wirkungsgrad der klassischen Silizium-Solarzelle ist begrenzt
Die solare Forschergemeinde drückt bereits mächtig aufs Tempo, um die energetische Ausbeute der Solarzellen bei der Absorption von Lichtenergie auf eine neue Stufe zu heben. Gut möglich, dass dabei die klassische Silizium-Solarzelle auf der Strecke bleibt. Dieser Zellentyp ist mit einem Marktanteil von über 90 Prozent zwar noch der Platzhirsch im Wettbewerb. Der Wirkungsgrad, der angibt, wie viel elektrische Energie das einfallende Sonnenlicht erzeugt, ist jedoch begrenzt – gängige monokristalline Solarzellen kommen auf Werte zwischen 20 und 22 Prozent. Das chinesische Solartechnologieunternehmen Longi hat jedoch Ende letzten Jahres im Labor einen Wirkungsgrad von 26,81 Prozent erreicht, der auch in der Massenfertigung der Zellen reproduzierbar sein soll. Auch wenn in diesem Fall immer noch fast drei Viertel der Sonnenenergie nicht zur Stromerzeugung beitragen, stellt dieses Resultat eine veritable Spitzenleistung dar – schließlich liegt das physikalische Limit für den Wirkungsgrad einer Silizium-Solarzelle bei rund 29 Prozent.
Solarzellen verarbeiten Sonnenlicht in unterschiedlichen Spektren
Dieses Handicap ist gewissermaßen in den Zellen selbst eingebaut. Sie bestehen im Wesentlichen aus einer mit Fremdatomen negativ und positiv dotierten Siliziumschicht, in der aber nur ein vergleichsweise schmaler Bereich energetisch nutzbar ist. Die in die sogenannte Raumladungszone einstrahlenden Lichtquanten (Photonen) lösen dort Elektronen aus ihren Verbindungen, die dann in der Folge in den Leitern einen elektrischen Strom erzeugen. Eine zentrale Rolle in diesem Prozess spielt das einfallende Sonnenlicht. Die Siliziumschicht verarbeitet vor allem die Lichtwellen im Nah-Infrarotbereich – ein großer Teil der Lichtenergie auf anderen Frequenzen geht also verloren. Überwinden lässt sich diese Beschränkung durch neue Bauformen für die Solarzelle. Renommierte Institute wie das Karlsruher Institut für Technologie (KIT), die Bergische Universität Wuppertal, die Ecole Polytechnique Fédérale de Lausanne (EPFL) und das Helmholtz-Zentrum Berlin für Materialien und Energie (HZB) arbeiten bereits am nächsten Technologiesprung: der 2015 erstmals vorgestellten Tandemsolarzelle.
Die Kombination verschiedener Halbleiter verbessert die Lichtausbeute
Dahinter steht die Idee, die Kapazitäten einer einfachen Solarzelle durch die Kombination mit einer weiteren Schicht zu erweitern. Gute Perspektiven verspricht die Verbindung von Silizium und Perowskit – Letzteres ist ein Mineral, das sich mit wenig Energieaufwand und zu geringen Kosten nutzen lässt. Das Zusammenspiel dieser Materialien definiert neue energetische Grenzen, weil beide Schichten jeweils in unterschiedlichen Bereichen des Lichtspektrums arbeiten. Die obere Schicht verarbeitet das energiereiche Licht mit kürzeren Wellenlängen, die darunter liegende Schicht das energieärmere langwellige Licht. Auf diese Weise lässt sich die verfügbare Lichtenergie besser ausnutzen, was wiederum den Wirkungsgrad der Zelle verbessert.
Bei den Tandemsolarzellen jagt ein Weltrekord den nächsten
Die Nase vorn im Kopf-an-Kopf-Rennen um die Effizienz der Tandemsolarzellen hat derzeit das Berliner HZB. Bereits Ende 2021 hatten Forscher des Instituts mit einer Zelle auf Basis von Silizium und Perowskit einen Wirkungsgrad von 29,8 Prozent erreicht – und damit einen Weltrekord aufgestellt. Gerade mal ein Jahr später liegt die Marke noch einmal höher. Eine neu entwickelte Tandemsolarzelle der Berliner erreicht einen Wirkungsgrad von 32,5 Prozent. Solche Werte sind indes reine Laborwerte, die in der Praxis etwas niedriger ausfallen dürften. Die Nutzanwendung der neuen Technologie liegt allerdings auf der Hand: Dank der gesteigerten Effizienz lassen sich auf gleicher Fläche wie bisher Solaranlagen mit höherer Leistung realisieren.
Die leistungsfähigste Solarzelle kratzt jetzt an der Marke von 50 Prozent
Das Potenzial der Tandemsolarzellen könnte sogar noch höher ausfallen, wenn neue Materialien ins Spiel kommen. Die Forscher am Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE haben im Labor ein Modell entwickelt, mit dem sie einen Schritt weiter gehen als die Kollegen in Berlin. Sie kombinieren zwei Tandemzellen zu einer Vierfachsolarzelle, in der verschiedene Halbleiterwerkstoffe auf Basis von Elementen wie Indium (In), Gallium (Ga), Aluminium und Phosphor (P) zum Einsatz kommen. Die übereinander gestapelten Schichten erlauben es den Freiburgern, hochkonzentriertes Sonnenlicht in einem breiten Spektrum bis in den infraroten Bereich hinein zu nutzen. Die spektakuläre Ausbeute: ein Wirkungsgrad von 47,6 Prozent. Das höchste der Gefühle wäre es jetzt, wenn die Sonne in Zukunft solche Module mit hoher Intensität und rund um die Uhr bescheinen könnte.
Die Europäische Weltraumorganisation plant Solaranlagen im Erdorbit
Die Europäische Weltraumorganisation (ESA) hat diesen schönen Traum im Arbeitsfeld „extraterrestrische Solarsysteme“ bereits auf die Agenda gesetzt. Demnach könnten im Erdorbit stationierte Satelliten mit Solarmodulen die gesammelte Sonnenenergie über hochfrequente Funkwellen und Empfänger-Antennen auf der Erde ins Netz übertragen. Dieses Szenario ist alles andere als Sciencefiction – die Beratungsunternehmen Frazer-Nash und Roland Berger haben beide in einschlägigen Studien die Machbarkeit dieser Technologie festgestellt. Wie es heißt, ließen sich ab 2050 jährlich 800 Terawattstunden Solarenergie gewinnen – etwa ein Drittel der Stromerzeugung der Europäischen Union im Jahr 2020. Die ESA hat jetzt mit Solaris 2 ein Projekt aufgelegt, das die technologischen und finanziellen Voraussetzungen für die Umsetzung einer weltraumgestützten Nutzung der Solarenergie klären soll.
Nordamerika und China haben bei weltraumbasierten Technologien die Nase vorn
Bis 2025 haben die Mitgliedsstaaten der Weltraumorganisation Zeit für eine Entscheidung, ob sie einen Einstieg in die Technologie wagen wollen. Die US-Amerikaner dürften dann ihre Claims im Orbit bereits abgesteckt haben. Wissenschaftler des California Institute of Technology (Caltech) haben Anfang Januar 2023 einen Forschungssatelliten mit eigens entwickelten Solarzellen in den Weltraum gebracht. Auch China befindet sich schon auf dem langen Marsch zur weltraumbasierten Solarenergie. Bis 2030 will man eine Teststation im All installieren, um die Chancen der Zukunftstechnologie auszuloten.
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