Unfallforschung: Mit Sicherheit ans Limit
Auch wenn sie unbemerkt im Hintergrund arbeiten – die DEKRA Unfallforscher sind als Lebensretter aktiv. Sie setzen sich seit 40 Jahren für mehr Sicherheit auf den Straßen ein. Ihr Job hat sich im Laufe der Zeit gewaltig verändert.
Um das auch von der EU formulierte Ziel der „Vision Zero“ zu erreichen, analysieren Unfallforscher das reale Unfallgeschehen weltweit, dabei hat sich ihr Arbeitsgebiet seit den Anfängen im Jahr 1978 rasant verändert. „Früher ging es darum, Unfallfolgen zu vermeiden“, sagt Unfallforscher Walter Niewöhner. Es sei beispielsweise untersucht worden bei welchen Geschwindigkeiten welche Verletzungen auftreten oder welche Unfallkonstellation welche Auswirkungen hat. „Aus der Unfallanalyse waren schon immer auch Details aus der Unfallvorgeschichte bekannt: Wo war ein Reaktionspunkt, wann hat der Fahrer angefangen zu bremsen und bei welcher Geschwindigkeit ist der Unfall passiert“, erläutert er. Diese Information des nun als Pre-Crash-Phase bezeichneten Abschnitts sind die Basis für Assistenzsysteme.
„Aktive Sicherheit“ versucht Unfälle direkt zu vermeiden
Früher, das ist die Zeit, als es um die sogenannte „passive Sicherheit“ ging, als es mit Sicherheitsgurt und Airbag gelang, bei einer Kollision die Schwere von Verletzungen zu verringern. Diese Systeme seien jetzt auf einem sehr hohen Niveau, sagt Niewöhners Kollege Markus Egelhaaf. Heute soll erreicht werden, dass es gar nicht erst zu einem Unfall kommt, das Konzept der „aktiven Sicherheit“ zielt auf die Vermeidung ab. „Dazu gehören die ganzen Fahrerassistenzsysteme wie Notbrems- und Abbiegeassistenten sowie beispielsweise elektronische Stabilitätsprogramme, die den Wagen in der Spur halten“, erläutert Egelhaaf. Und wenn das Fahrzeug erkennt, dass die Lage brenzlig wird, dann wird heute schon mal der Sicherheitsgurt vorgespannt. Diese Kombination von Systemen der aktiven und passiven Sicherheit wird als integrale Sicherheit bezeichnet.
Dabei sind die Unfallforscher Teamworker innerhalb des DEKRA Verbundes, denn allein könnten sie das alles nicht auf die Beine stellen. „Die Stärke des Unternehmens ist, dass unter einem Dach verschiedene Kompetenzen vereint sind, die dann ein komplexes Gesamtbild ermöglichen“, sagt Egelhaaf. Unfallanalytiker, Verkehrspsychologen oder das Crash Test Center gehören unabdingbar mit dazu. „Wichtig sind auch die Kollegen aus dem Prüfbereich, denn die müssen dann sicherstellen, dass die Systeme, die wir empfehlen, auch über die Lebenszeit eines Fahrzeugs halten“, betont der Unfallforscher.
Das automatisierte Fahren stellt eine große Herausforderung dar
Niewöhner und Egelhaaf tragen wesentlich zur Erstellung des DEKRA Verkehrssicherheitsreports bei und sind gemeinsam mit den übrigen Kolleginnen und Kollegen der Unfallforschung an zahlreichen Projekten in Deutschland, auf EU-Ebene aber auch weltweit beteiligt. Eine Grundlage ihrer Arbeit ist auch die Auswertung von Statistiken. Forschungsauftraggeber sind neben Behörden und Verbänden auch die Fahrzeughersteller und die Zuliefererindustrie. Einig sind sich beide, dass die Arbeit viel interessanter und umfassender geworden ist. „Die Themenvielfalt ist mindestens um den Faktor zehn explodiert“, sagt Niewöhner, der sich seit 35 Jahren mit der Unfallforschung befasst.
Egelhaaf zufolge ist insbesondere das automatisierte Fahren mit seinen vielen Schnittstellen eine große Herausforderung, denn hier stellten sich auch psychologische und ethische Fragen: „Wie lange kann ich den Fahrer trotz automatisierter Systeme aktiv halten, und wer trägt eigentlich in Konfliktsituationen die Verantwortung?“ Bei verschiedenen Projekten arbeite man hier mit Psychologen zusammen und bringe die technische Expertise mit ein. Ein Problem sei auch, dass vielfach bei den Fahrern das Verständnis dafür fehle, wie die neuen System funktionierten, berichtet Niewöhner „Es gibt viele Leute, die denken, dass sie mit ihren Assistenzsystemen viel sicherer sind, aber eigentlich können sie damit gar nicht umgehen“, gibt er zu bedenken.
Der Fahrer reagiert besser als alle heute existierenden Assistenzsysteme
Dabei sei es wichtig zu wissen, was ein System könne, wofür es gedacht sei, wann es eingreife, wie sich das dann auswirke und ganz wichtig, wo die Grenzen des Systems sind. In der Vergangenheit habe beispielsweise das ABS mit dem vibrierenden Pedal so manchen Fahrer irritiert. Heute werde zum Teil geglaubt, dass ein Notbremsassistent per se einen Unfall verhindere. Dabei bremse das System zwar ab und verringere die Kollisionsgeschwindigkeit, sei aber eigentlich so konzipiert, dass der Fahrer in den Regelkreis zurückkomme. „Denn der Fahrer kann viel mehr erfassen und reagiert immer noch besser auf die gegebene Verkehrssituation als alle heute existierenden Assistenzsysteme“, betont Niewöhner. Die seien nämlich auf bestimmte Situationen ausgelegt und könnten nur mechanisch reagieren.
Sorgen macht den beiden Experten, dass alle Verkehrsteilnehmergruppen zunehmend abgelenkt auf den Straßen unterwegs sind. Insbesondere die Nutzung von Handys sei ein Problem, das mit dazu führe, dass die Zahl der Verkehrstoten kaum noch sinke und in manchen Bereichen sogar wieder im Steigen begriffen sei, sagt Egelhaaf. Die DEKRA Unfallforscher haben dazu vor kurzem eine weltweit vielbeachtete Studie vorgelegt. „Die Smartphonenutzung im Straßenverkehr gehört grundsätzlich verboten“, unterstreicht Niewöhner. An dieser Stelle müsse genauso rigoros durchgegriffen werden wie damals bei der Anschnallpflicht. Eine weitere Konsequenz wäre auch, den Schwerpunkt bei den Sicherheitsanforderungen verstärkt auf den Menschen zu legen. Lebenslanges Lernen halten die Unfallforscher auch im Straßenverkehr für eine sehr gute Idee.
Bei all den neuen Herausforderungen wird deutlich, dass es den Unfallforschern trotz ihres unermüdlichen Einsatzes für die Sicherheit aller nicht so schnell gelingen wird, ihre eigenen Arbeitsplätze überflüssig zu machen.
Automatisiert, aber sicher!
Am Lausitzring in Klettwitz prüft DEKRA Assistenzsysteme und automatisierte Fahrzeugtechnologien auf Herz und Nieren. Seit Neuestem auch im städtischen Umfeld auf speziell eingerichteten Citykursen. Die Erprobungen sind von zentraler Bedeutung – denn von der Sicherheit und Zuverlässigkeit der Systeme hängt die Akzeptanz seitens der Gesellschaft ab.
Networking auf der Straße
Im Individualverkehr gilt die V2X-Kommunikation (Vehicle-to-Everything) als Technologie der Zukunft für einen flüssigeren Verkehr und die Verminderung von CO2-Emissionen. Gleichzeitig dürfte das vernetzte Fahren die Fähigkeiten automatisierter Fahrzeuge im Hinblick auf Sicherheit, Effizienz und Autonomie auf ein höheres Level heben.
Rund um den Globus – die kuriosesten Kreisverkehre der Welt
Fahrschüler bringen sie noch ins Schwitzen, für erfahrene Verkehrsteilnehmer sind Kreisverkehre kein besonderes Ereignis mehr. Umso interessanter, wie Ingenieure und Straßenplaner ihrer Kreativität freien Lauf lassen können und kuriose Bauwerke entwerfen. Auch unter Wasser kann es im wahrsten Sinne rund gehen.