Eine neue Hoffnung?

Stinker raus aus den Städten – wir fahren jetzt elektrisch. So könnte das Credo der Zukunft für den motorisierten Individualverkehr lauten. Aber wie steht‘s tatsächlich mit der Öko-Bilanz der Elektroautos?

Strombetriebene Autos - ein heißer Tipp für bessere Zeiten und eine saubere Umwelt? Foto: Fotolia - ferkelraggae, Montage: Haug

Strom-betriebene Autos – ein heißer Tipp für bessere Zeiten und eine saubere Umwelt? Foto: Fotolia – ferkelraggae – picturia, Montage: Haug

Abgasaffären, Fahrverbote und strenge Emissionsvorschriften haben die Automobil-Branche ins Schlingern gebracht. Damit sie wieder zurück in die Spur kommt, setzt sie verstärkt auf automobile Alternativen. Ein heißer Kandidat für bessere Zeiten ist das Elektroauto, das seit dem am 12. Juni 2015 in Kraft getreten Elektromobilitätsgesetz (EmoG) gewissermaßen als offizieller Hoffnungsträger firmiert. Batteriebetriebene Elektroautos, so das öffentliche Credo, haben im Vergleich zum Diesel und Benziner eine blitzsaubere Ökobilanz. Sie stoßen keine lokalen Emissionen aus und haben im Hinblick auf gesundheitsschädliche Stickoxide und Feinstaub eine weiße Weste. Nimmt man das Fahrzeugkonzept jedoch genauer unter die Lupe, zeigt sich, dass für Euphorie noch kein Anlass besteht.

Das ökologische Potenzial der Elektroautos ist umstritten

Der wissenschaftliche Diskurs über das ökologische Potenzial der Elektrofahrzeuge ist in vollem Gang. Im Wesentlichen sind es zwei Aspekte, an denen sich Kontroversen auftun. Der erste betrifft die Ökobilanz in der Betriebsphase eines Elektroautos. Diese wäre nur dann erstklassig, wenn der Strom zum Laden der Akkus nur aus regenerativen Energien stammen würde. Kommt jedoch wie in Deutschland vor allem Kohlestrom zum Einsatz, ist dafür ein Aufschlag an CO2-Emissionen fällig. Eine andere ökologische Hypothek sind die Batterien, die für den europäischen Markt vor allem in Japan und Südkorea produziert werden. Ihre Herstellung verursacht erhebliche Emissionen von Kohlendioxid.

Aktuelle Studien stellen die Vorteile der Stromer in den Fokus

Aber wie viele Kohlendioxid-Äquivalente braucht es zur Herstellung pro Kilowattstunde Speicherkapazität? Und wie fällt die Bilanz aus, wenn man Stromer und Verbrenner der gleichen Größe jeweils mit den gesamten Emissionen für den Bau und den Betrieb miteinander vergleicht? Zu diesen Fragen gibt die Studienlage keine abschließenden Wahrheiten her. Der aktuelle Trend spricht jedenfalls für das Elektroauto. Eine im Januar 2018 vorgestellte Studie des Forschungsinstituts International Council on Clean Transportation (ICCT) hat rund ein Dutzend Forschungsarbeiten unter die Lupe genommen, die sich mit den Auswirkungen der Herstellung von Lithium-Ionen-Batterien auf die Treibhausgasemissionen im Lebenszyklus eines Elektroautos befassen.

Elektrofahrzeuge könnten bei einem Ausbau der erneuerbaren Energie im Jahr 2030 rund 5,2 Millionen Tonnen CO2 vermeiden, so eine Studie. Foto: Fotolia - arneke

Elektrofahrzeuge könnten bei einem Ausbau der erneuerbaren Energie im Jahr 2030 rund 5,2 Millionen Tonnen CO2 vermeiden, so eine Studie. Foto: Fotolia – arneke

Bessere Klimabilanz nach drei Jahren

Die Studie vergleicht unter anderem die Ökobilanzen eines elektrischen Nissan Leaf mit einer Leistung von 30 kWh und eines in der gleichen Klasse rangierenden Peugeot 208 1.6 BlueHDi Active 5dr. Das Elektroauto hätte demnach nach rund drei Jahren ein bessere Klimabilanz als der sparsame Diesel. Hier gilt die Faustformel, dass kleinere Batterien die Umwelt weniger belasten als große. Hat die Reichweite des Fahrzeugs hohe Priorität, bedeutet das zwangsläufig größere Akkus und damit mehr Nachteile für die Umwelt. Trotzdem sind die Wissenschaftler vom ICCT davon überzeugt, dass Elektroautos über ihre Lebensdauer gesehen deutlich sauberer als Verbrennungsmotoren sind – und zwar auch dann, wenn man vergleichsweise hohe Kohlendioxidemissionen für die Produktion der Batterie in Rechnung stellt (175 kg CO2e/kWh) und der Energiemix zum Laden der Akkus einen hohen Anteil an fossilen Energien aufweist.

Das Elektroauto allein kann die Klimaziele nicht erfüllen

Hat also das Elektroauto das Zeug zum Hoffnungsträger? Dieser Schuh dürfte vorerst noch eine Nummer zu groß sein. Das Freiburger Öko-Institut kommt in einer Studie, die sich mit der Sicherstellung des Klimavorteils der Elektromobilität befasst, zu dem Schluss, dass Elektrofahrzeuge bei einem Ausbau der erneuerbaren Energie im Jahr 2030 rund 5,2 Millionen Tonnen CO2 vermeiden könnten. Damit ließen sich rund sechs Prozent der Emissionen des Fahrzeugverkehrs einsparen. Das ist eine ganze Menge, aber trotzdem zu wenig, um das Pariser Klimaabkommen einzuhalten, das für den Verkehrssektor eine Minderung von rund 40 Prozent vorsieht.

Egal, ob Elektro, Diesel, CNG oder ein anderer Antrieb - die verschiedenen Konzepte müssen zusammenspielen. Fotolia - Kamasigns

Egal, ob Elektro, Diesel, CNG oder ein anderer Antrieb – die verschiedenen Konzepte müssen zusammenspielen. Fotolia – Kamasigns, Montage: Frieser

Die verschiedenen Antriebskonzepte müssen zusammenspielen

Eine nachhaltige Verkehrspolitik muss daher auch auf das Zusammenspiel der verschiedenen Antriebskonzepte setzen. In dieser automobilen Mannschaft hätte das Elektroauto auf jeden Fall einen Stammplatz. Das gilt auch für Hybridfahrzeuge, die einen elektrischen Antrieb und einen Verbrenner an Bord haben. Ebenfalls im Team wäre das Erdgasfahrzeug, dem Experten eine gute Umweltbilanz attestieren. Wasserstoff-Fahrzeuge, Brennstoffzellen- und Solarantrieb wären dagegen nur auf lange Sicht eine Option. Eine feste Größe im Team bleibt der Ottomotor. Die turbogeladenen Direkteinspritzer lösen ihr Feinstaubproblem mittlerweile mit Hilfe von Partikelfiltern, können letztlich aber dem Diesel bei Wirkungsgrad und Treibstoffeffizienz nicht das Wasser reichen. Bleibt also die Frage nach der aktuellen Form des Selbstzünders, der zur Verwirklichung der Klimaschutzziele der EU ebenso dringend benötigt wird wie Manuel Neuer im Tor der deutschen Nationalmannschaft.

Der Diesel hat die Stickoxide künftig im Griff

Tatsächlich hat der Diesel seine Problemzonen in Sachen Stickoxid im Griff. Ein im April 2018 durchgeführter Test des ADAC belegt, dass mit SCR-Katalysator und bedarfsgeregelter Einspritzung von AdBlue ausgestattete Pkw bereits heute souverän die ab dem 1. September 2019 gültige Schadstoffnorm Euro 6d-TEMP erfüllen. Die Deutschen Umwelthilfe (DUH) wiederum attestiert zwei Modellen ebenfalls ausgezeichnete Leistungen auf diesem Sektor. Das von Bosch entwickelte Abgasnachbehandlungssystem, das unter anderem mit einer speziellen Einspritztechnik und einem intelligenten Temperaturmanagement arbeitet, soll die für 2020 angekündigten Stickoxid-Grenzwerte um den Faktor 10 unterbieten.

Lösungen für ältere Diesel sind gefragt

Die Chancen stehen also gut, dass die Automobilindustrie in Zukunft ihre Hausaufgaben zu einem guten Ende bringt. Was fehlt, sind praktikable Lösungen für das Jetzt und Hier. Selbst neuere Dieselmodelle mit Euro 5 sind auf dem schlechtesten Weg, bald zum alten Eisen zu gehören. Auf der politischen Bühne ist jedoch das letzte Wort noch nicht gesprochen, ob Veränderungen an Software oder Hardware zum Ziel führen sollten. Interessante technische Alternativen liegen jedenfalls auf dem Tisch. Firmen wie Twintec aus dem rheinischen Königswinter oder die in Bamberg ansässige Dr. Pley Environmental GmbH haben Nachrüstungen auf der Basis von Harnstofflösung (AdBlue) entwickelt, die Euro-5-Diesel so sauber machen, dass sie die Euro-6-Emissionsgrenzwerte einhalten.

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