Daten: Das neue Gold der Transportbranche
Daten sollen sinnvoll und sicher verarbeitet, Lkw miteinander vernetzt werden: Clemens Klinke, Mitglied des Vorstands DEKRA SE, spricht über die Potenziale der zunehmenden Digitalisierung in der Transportbranche.

Clemens Klinke ist Mitglied des Vorstands DEKRA SE. Foto: Sebastian Vollmert
Herr Klinke, auf der IAA Nutzfahrzeuge wird das Thema Datenverarbeitung rund um den Lkw zum Hype. Sehen Sie in dieser Entwicklung auch disruptive Tendenzen in der Transportbranche?
Klinke: Meinen Sie, dass die Fahrer bald überflüssig werden, weil der Lkw alles alleine macht? Das sicherlich nicht. Die Nutzfahrzeugbranche war seit jeher Vorreiter in Sachen Digitalisierung, unter anderem bei der Telematik oder der Sendungsverfolgung. In Sachen Fahrzeugtechnik gibt es noch Potenzial, vor allem im Bereich der Sicherheit. Wenn der Lkw in bestimmten Situationen automatisiert fährt, etwa bei Stop and Go oder auf der Autobahn, kann das den Fahrer entlasten. Oder wenn er gar an der Ladestelle aussteigen könnte und der Truck rangiert selbstständig an die Rampe. Aber bis Lkw vollständig autonom im gesamten Straßennetz fahren, wird es noch lange dauern – falls es überhaupt so weit kommt.
Wie kann sich die Datenflut im Lkw in naher Zukunft schon nützlich machen?
Klinke: Denken Sie an anonymisierte Schwarmdaten, die zum Beispiel Verkehrsinformationen noch genauer machen. Oder an den Nutzen, den der Fahrzeughalter hat, wenn der Lkw ihm verschleißende Bauteile selbstständig rechtzeitig meldet und er den Werkstattbesuch bei der Tourenplanung berücksichtigen kann. Dafür braucht es noch keine großen Datenmengen. Für das hoch automatisierte Fahren wird sich aber erst mit dem 5G-Kommunikationsstandard der nächste größere Schritt ergeben. Um die damit möglichen Szenarien zu testen, bauen wir aktuell zusammen mit der Telekom ein 5G-Versuchsnetz auf unserem Testgelände in Klettwitz auf.
Ob Standortposition, Frachtdaten oder Fahrstilanalyse: Viele Daten sollten ja eigentlich sehr sensibel behandelt werden. Ist das nicht ein Sicherheitsrisiko? Könnten nicht Cyberkriminelle Frachten umdirigieren, oder gar Fahrzeugtechnik gefährlich manipulieren?
Klinke: Es gibt – wie seit Menschengedenken – auch hier einen Wettlauf zwischen Kriminellen und denen, die ihnen das Handwerk legen wollen. Klar ist: Bei den Werten, die Lkw oft transportieren und die sie auch an sich darstellen, brauchen wir schon in der Hardware maximalen Schutz. Umso mehr gilt das mit Blick auf die Verkehrssicherheit. Ein Fahrzeug darf nie unter die Kontrolle von Cyberkriminellen geraten.

Die Sicherheit der Datenübertragung sollte kontinuierlich neutral überprüft werden. Foto: Fotolia – kras99
Welche Möglichkeiten gibt es, diesen Missbrauch effektiv zu verhindern?
Klinke: Ein entscheidender Punkt ist, dass die Sicherheit der Daten, aber insbesondere auch die Sicherheit der Datenübertragung kontinuierlich neutral überprüft wird.
Sehen Sie darin ein Geschäftsmodell von DEKRA? Oder wäre es gar denkbar, dass auch DEKRA via Datennetz Fahrzeugtechnik und Datensicherheit checkt?
Klinke: Grundsätzlich muss die Periodische Fahrzeugüberwachung mit der technischen Entwicklung Schritt halten. Daher fordern alle Fahrzeugüberwacher gemeinsam ja schon lange den Zugang zu den prüfungsrelevanten Fahrzeugdaten. Nur so können wir als unabhängige Sicherheitsdienstleister diesen wichtigen Beitrag umfassend leisten.
Von der Sicherheit der Datenübertragung zur Sicherheit beim Gütertransport: Daten ermöglichen auch ein Plus an Sicherheit – Stichwort: Autonomes Fahren. Wie lange wird es Ihrer Einschätzung nach dauern, bis diese Art der Mobilität unser Straßenbild prägen wird?
Klinke: Wie gesagt, ich bin nicht sicher, ob vollautonomes Fahren – der fahrerlose Lkw übernimmt die Ladung, fährt selbstständig zu jedem x-beliebigen Ziel und übergibt die Ladung – jemals Einzug halten wird. Sicher wird Automatisierung zunächst in abgegrenzten Fahrsituationen weitere Fortschritte machen – im Autobahnverkehr oder eben auf dem Betriebshof. Ansonsten leisten heute schon Assistenzsysteme, wie Notbrems- oder Abbiegeassistenten, einen wichtigen Sicherheitsbeitrag. Die Vernetzung bietet weiteres Potenzial. Insbesondere im Lkw hat die Elektronik technische Fortschritte ermöglicht, zum Beispiel die Ansprechzeiten der Bremsanlage verringert. Wenn in Zukunft noch Informationen anderer Verkehrsteilnehmer, etwa des vorausfahrenden Fahrzeugs, genutzt werden, fällt in unserem Beispiel auch die Reaktionszeit praktisch weg. So heben wir zusätzliches Sicherheitspotenzial, und genau dafür steht DEKRA seit mehr als 90 Jahren.
Zur Person
Clemens Klinke ist 1956 in Paderborn geboren. Nach einer Kfz-Lehre studierte er Maschinenbau mit Fachrichtung Fahrzeugtechnik an der FH in Köln. Clemens Klinke ist seit 34 Jahren in unterschiedlichen Funktionen bei DEKRA tätig. Seit 2015 leitet er die DEKRA Automotive Business Unit.