Solarenergie: Schwimmende Kraftwerke

Author: Hannes Rügheimer

04. Aug. 2021 Innovation / Nachhaltigkeit

Um seine Emissionsziele zu erreichen und seine Energieversorgung insgesamt umweltverträglicher zu machen, setzt der Stadtstaat Singapur auf Hightech – wie etwa ein schwimmendes Solarkraftwerk. DEKRA bereitet sich mit Hochdruck darauf vor, solche Anlagen zu testen und zu zertifizieren.

Der an der Südspitze der Malaiischen Halbinsel gelegene Stadtstaat Singapur hält eine ganze Reihe von Rekorden: Seine Einwohner genießen eine der längsten Lebenserwartungen der Welt, die Kindersterblichkeitsrate ist eine der niedrigsten und die Internet-Geschwindigkeit ist eine der schnellsten. Zudem zählen seine Einwohner zu den wohlhabendsten weltweit – das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf liegt mit rund 101.500 US-Dollar kaufkraftbereinigt auf Platz Drei der Weltrangliste. Doch Rekorde finden sich leider auch auf der Negativ-Seite: Beim C02-Ausstoß pro Kopf liegt der Inselstaat ebenfalls weit oben in den einschlägigen Ranglisten – mit über 7.500 Kilowattstunden pro Jahr liegt sein Pro-Kopf-Stromverbrauch um einiges höher als der mit rund 6.100 Kilowattstunden pro Jahr auch schon nicht gerade sparsame Durchschnittswert in der Europäischen Union. Dabei macht es die hohe Bevölkerungs- und Bebauungsdichte in Singapur schon aus Platzgründen schwer, Standorte für die Erzeugung regenerativer Energien zu finden.
Doch der technologiefreundliche und zukunftsorientierte Inselstaat hat auch für diese Herausforderung eine – abermals rekordverdächtige – Lösung gefunden: Wenn es an Land kaum mehr geeignete Flächen für Solarkraftwerke gibt, installiert man eben eines auf dem Meer: In der Straße von Johor, die Singapur von Malaysia trennt, wurde Ende März 2021 eine der größten der größten schwimmenden Solaranlagen der Welt in Betrieb genommen.
Über 13.000 schwimmende Solar-Paneele
Die Anlage besteht aus über 13.000 einzelnen Photovoltaik-Paneelen, die auf mehr als 30.000 Schwimmkörpern montiert sind, zudem aus 40 Wechselrichtern und einem 22-Kilovolt-Transformator. Ein spezielles Verankerungssystem hält auch starkem Seegang stand, eine separate, zweite schwimmende Plattform dient als Kontroll- und Besucherzentrum mit Aussichtsterrasse. Die Verankerung stellt außerdem sicher, dass die Anlage nicht in den Bereich der Straße von Johor abdriftet, auf der reger Schiffsverkehr stattfindet.
Rund fünf Megawatt Spitzenleistung liefert das schwimmende Kraftwerk. Der von ihm erzeugte Strom wird über ein Unterseekabel an Land transportiert und soll dort rund 1.400 Haushalte mit Strom versorgen. Laut dem Betreiber, dem in Singapur ansässigen Energiekonzern Sunseap, soll die Anlage über sechs Millionen Kilowattstunden pro Jahr produzieren, was einer Reduktion von CO2-Emissionen von über 4.200 Tonnen pro Jahr entspreche.
Neben der cleveren Lösung des Platzproblems in der dicht besiedelten Region führt Sunseap-Chef Frank Phuan weitere Vorteile der Konstruktion an: Die Solarmodule würden auf See weniger verschmutzt als an Land, zudem liege das Risiko von Vandalismus oder Diebstahl nahezu bei null.
Die nächste, noch viel größere Anlage ist bereits in Planung
Damit macht die jetzt in Betrieb genommene Anlage allerdings erst den Anfang. Die Regierung Singapurs kündigte bereits an, den Anteil an Solarenergie an der gesamten Energieerzeugung für das Land bis 2025 zu vervierfachen. Bis 2030 sollen dann schon rund 350.000 Haushalte mit Sonnenstrom versorgt werden. Dazu sind unter anderem weitere schwimmende Solarkraftwerke in Planung – etwa eine 60-Megawatt-Anlage auf dem Tengeh-Stausee, der im westlichen Teil des Stadtstaats liegt und auch eine wichtige Rolle für dessen Trinkwasserversorgung spielt. Diese Anlage soll dann bereits über 122.000 Solarpanels auf einer Fläche von etwa 45 Fußballfeldern umfassen.
„Singapur ist ein ideales Testfeld für schwimmende Solarkraftwerke“, bestätigt Jacky Bai, General Manager Solar Business bei DEKRA Asia Pacific. Sein Team bietet ein breites Portfolio an Test- und Zertifizierungsleistungen rund um Solar-Panels an – beispielsweise Materialuntersuchrungen, Korrosions- und Alterungsprüfungen, Sicherheitstests sowie Elektrik- und Elektronik-Prüfungen von Photovoltaik-Modulen und ihren Anschlüssen. Auch Test und Zertifizierungen weiterer Komponenten wie Wechselrichtern sowie die Überprüfung der Einhaltung aller einschlägigen Standards und Normen, Untersuchungen der elektromagnetischen Verträglichkeit oder Kontrollen der tatsächlichen Leistung der Module und ihrer Umweltverträglichkeit steht in den Testkatalogen. Darüber hinaus offeriert DEKRA technische Beratung zu Produktionsprozessen, Qualitätsmanagement und Arbeitssicherheit rund um Solaranlagen. Diese Dienstleistungen richten sich gleichermaßen an die Hersteller solcher Lösungen wie an deren kommerzielle Nutzer – wie beispielsweise Kraftwerksbetreiber.
Auch auf die Überprüfung der im Trend liegenden schwimmenden Solaranlagen bereite man sich bereits vor. „Bei diesem Einsatz kommen dann viele Aspekte zusammen, die wir jeweils einzeln schon heute prüfen“, berichtet Jacky Bai: „Etwa Materialeigenschaften, mechanische und konstruktive Belastbarkeit, Korrosionsfestigkeit sowie eine ganze Reihe von Prüfkriterien rund um den Kraftwerkseinsatz.“ Bis 2022 wolle man das Angebotsportfolio so ausgebaut haben, dass DEKRA auch die im Trend liegenden schwimmenden Solarkraftwerke testen und zertifizieren kann. Der Stadtstaat Singapur dürfte dann einiges für die Mitarbeiter von DEKRA Asia Pacific zu tun haben.