Nur Fliegen ist schöner

Author: Michael Vogel

21. Dez. 2022

Flughäfen sind an sich schon beeindruckend. Doch bei manchen kommt noch das besondere Etwas dazu, das sie kurios oder unvergesslich macht.

Die Frage, wie viele Flughäfen es auf der Welt gibt, lässt sich nicht so einfach beantworten. Zu vielfältig sind die Kriterien. Sind Verkehrsflughäfen, militärische Flughäfen, Frachtflughäfen oder alle zusammen gemeint? Wo ist die Grenze zwischen Flughafen und Flugpiste? Fest steht, dass Flughäfen eine besondere Atmosphäre und etwas Privilegiertes haben. Schließlich fliegen die meisten Menschen selten, die überwältigende Mehrheit der Weltbevölkerung ist sogar noch niemals geflogen. Der Dachverband Airports Council International zählt rund 720 Mitglieder, die fast 2000 Flughäfen in 185 Ländern betreiben. Darunter sind große und kleine Flughäfen – und einige, die aufgrund von Architektur, Angebot, Lage oder schierer Größe herausstechen.
So dürften Passagiere, die erstmals auf dem Changi Airport in Singapur landen, sich eher an ein Hotel als an eine technische Infrastruktur erinnert fühlen. Teppichböden in weiten Teilen der Gebäude, ein Outdoor-Swimmingpool auf dem Dach, ein Schmetterlingshaus, ein Kaktusgarten, ein Wasserfall, Kinos, Abenteuerspielplätze – manchmal ist der Aufenthalt vor dem Abflug zu kurz, um alles zu erleben.
Atlanta ist der passagierreichste Flughafen der Welt
2019, im Jahr vor der Coronapandemie, nutzten 68 Millionen Passagiere den Changi Airport. Das ist zwar ein asiatischer Rekord, aber kein weltweiter. Der Hartsfield-Jackson Atlanta International Airport verzeichnete in jenem Jahr knapp 111 Millionen Passagiere, was ihn zum passagierreichsten Flughafen der Welt macht – wie schon seit Jahrzehnten. Nur während der Coronapandemie, im Jahr 2020, verlor er den Titel vorübergehend an den Guangzhou Baiyun International Airport im Süden Chinas: Dieser verbuchte damals knapp 44 Millionen Passagiere, während Hartsfield-Jackson „nur“ 43 Millionen hatte.
Einen besonderen Anblick bietet ein weiterer chinesischer Flughafen: der Beijing Daxing International Airport in der Hauptstadt des Landes. Er nahm erst im Herbst 2019 seinen Betrieb auf, sozusagen am Vorabend der Pandemie, was für einen Flughafen eher ungünstig ist. Aus der Luft sieht man die ungewöhnliche Form des Gebäudes am besten: ein sechsarmiger Seestern, dessen Außenhülle orange gefärbt ist.
Einen besonderen Nervenkitzel für Zaungäste bieten gleich zwei Flughäfen auf der Welt, in Griechenland und auf der Karibikinsel St. Martin. Der Regionalflughafen Alexandros Papadiamantis liegt auf der Insel Skiathos und hat eine Landebahn, die an beiden Enden von Wasser begrenzt ist. So kommt es, dass die startenden und landenden Maschinen direkt über die Köpfe der Menschen hinwegdonnern, die sich in unmittelbarer Nähe des Flughafens auf der Zubringerstraße aufhalten – ein Erlebnis irgendwo zwischen grandios und beängstigend. Ähnlich ist die Situation beim Princess Juliana International Airport im niederländischen Teil von St. Martin. Dort verläuft die Einflugschneise der Maschinen direkt über einen Strand, bei Flughöhen von nur 10 bis 20 Metern. Eine nahe gelegene Strandbar informiert über alle Start- und Landezeiten. Ungefährlich sind solche tiefen Überflüge nicht. Mehrfach kamen Menschen zu Schaden, als sie in den Luftstrahl eines Triebwerks gerieten und zu Boden geworfen wurden.
Nervenkitzel bei Starts und Landungen
Ein Nervenkitzel, besonders für die Flugzeuginsassen, ist auch der Tenzing Hillary Airport im nepalesischen Lukla. Erbaut unter der Regie von Everest-Erstbesteiger Edmund Hillary und benannt nach ihm und seinem Sherpa Tenzing Norgay ist der Flughafen durch eine US-amerikanische TV-Sendung als „extremster Flughafen“ berühmt geworden. Die Wetterbedingungen hier auf 2800 Meter Höhe verändern sich rasch, oft ist es neblig oder wolkig, teils wehen starke Winde. Die kombinierte Lande- und Startbahn endet abrupt an einem Abgrund und ist nur 527 Meter lang, so dass nur kleine Propellermaschinen den Flughafen anfliegen können. In der Bergsaison ist er stark frequentiert, weil dort Fernwanderwege beginnen, unter anderem zum Basislager des Mount Everest.
Im Vergleich dazu wirkt der Internationale Flughafen von Gibraltar überhaupt nicht wild. Trotzdem hat er eine weltweite Einzigartigkeit vorzuweisen. Aufgrund der begrenzten Fläche des britischen Überseegebiets ließen sich Start- und Landebahn nur so anlegen, dass sie eine Straße kreuzen, die einzige Verbindung zu Spanien für den Autoverkehr. Jedes Mal, wenn ein Flugzeug startet oder landet, wird daher die Straße gesperrt – wie an einem Bahnübergang. Mit einer steigenden Zahl von Flügen wurde das zum Problem, was man bereits in den Nullerjahren erkannte. Ein Straßentunnel soll das Problem für den Verkehr grundsätzlich lösen. Allerdings ist das Bauprojekt massiv im Verzug. War die Inbetriebnahme ursprünglich für 2009 geplant, geht die Lokalpresse inzwischen von einer Eröffnung des Tunnels Ende 2022 oder Anfang 2023 aus. Der Flughafen wird seine Attraktion dadurch nicht verlieren. Wer zu Fuß oder mit dem Rad unterwegs ist, soll die kritische Zone weiterhin oberirdisch queren.
Interview: Sichere Lieferkette für die Luftfahrt
Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 hat auch die Europäische Union die Bestimmungen zur Luftsicherheit massiv verschärft. DEKRA Aviation Services unterstützt Unternehmen bei der Etablierung und Implementierung europäischer und nationaler Luftsicherheitsstandards. Die Fachkoordinatorin Fereschta Kokar erklärt im Interview, was es mit Luftsicherheitsschulungen auf sich hat.
DEKRA Solutions: Frau Kokar, wer braucht eine Luftsicherheitsschulung?
Kokar: Tatsächlich sehr viel mehr Menschen, als man gemeinhin annehmen würde. Die EU-Durchführungsverordnung 2015/1998 legt fest, wer sich Luftsicherheitsschulungen unterziehen muss. Grundlage in der Bundesrepublik sind zudem die Bestimmungen des Luftfahrt-Bundesamtes zur „Sicheren Lieferkette Deutschland“. Generell gilt: Jeder, der bei einem Unternehmen der sicheren Lieferkette tätig ist und Aufgaben gemäß den europäischen Vorschriften durchführt, benötigt eine entsprechende Luftsicherheitsschulung.
Entlang der gesamten Lieferkette?
Kokar: Ja, das beginnt, bei Herstellern, die selbst Luftfracht verschicken wollen, geht weiter bei Logistikunternehmen, die solche Waren zum Flughafen bringen, bis hin zum Personal, das am Flughafen Fracht-, Post-, Personen- und Gepäckkontrollen durchführt. In diesen Unternehmen benötigen dann alle Beschäftigten, die zum Beispiel Zugang zur Luftfracht haben, eine Schulung. Das betrifft auch die Fahrerinnen und Fahrer einer Spedition, die Luftfracht transportieren, oder Reinigungskräfte, die in Räumen putzen, in denen Luftfracht lagert.
Klingt so, als ob das Gros der Luftsicherheitsschulungen gar nicht die unmittelbar am Flughafen Arbeitenden betrifft.
Kokar: Genau, ich schätze, dass das nur ein Viertel der Personen ausmacht. Die große Mehrheit arbeitet bei Unternehmen, die mit dem Flughafenbetrieb nicht unmittelbar zu tun haben.
Was lernt man in Sicherheitsschulungen?
Kokar: Das hängt von der jeweiligen Personengruppe ab. Für Reinigungskräfte geht es um andere Themen als für Beschäftigte, die Fracht-, Gepäck- und Personenkontrollen durchführen. Reinigungskräfte lernen zum Beispiel, dass sie beim Betreten eines Sicherheitsbereiches die Türen immer geschlossen halten müssen oder dass sie niemanden in einen Sicherheitsbereich einlassen dürfen. Wer bei den genannten Kontrollen arbeitet, wird dagegen auch in der Nutzung der Technik geschult, zum Beispiel in der Bedienung von Röntgengeräten.
Wie lange dauern die Schulungen?
Kokar: Die beiden genannten Personengruppen zeigen die Spanne auf: Bei Personen, die nur einen beaufsichtigten Zugang zu identifizierbarer Luftfracht haben, zum Beispiel Reinigungskräfte, sind es aktuell drei Unterrichtseinheiten à 45 Minuten, bei den Kontrollpersonen für Passagierkontrollen sind es rund sechseinhalb Wochen in Vollzeit.
Und das war’s dann?
Kokar: Für alle gibt es Fortbildungsauflagen. Zudem müssen sich Kontrollpersonen, die Technik zur Kontrolle einsetzen, alle drei Jahre erneut zertifizieren lassen. Die EU-Verordnung ist kein statisches Gebilde, sondern wird regelmäßig an neue Entwicklungen angepasst. Ein Beispiel dafür ist das Thema IT-Sicherheit, das auch in diesem Kontext immer wichtiger wird.