Interview: „Mit großen Schritten vorwärts“

Dr. Wolfgang Bernhard über die Fortschritte beim Elektro-Lkw und die Entschlossenheit des Konzerns, diese Technik voranzutreiben.

DR. WOLFGANG BERNHARD - Der 56-jährige Wirtschaftsingenieur ist seit 2010 Vorstandsmitglied der Daimler AG, seit 2013 leitet er das Geschäftsfeld Daimler Trucks & Buses

DR. WOLFGANG BERNHARD – Der 56-jährige Wirtschaftsingenieur ist seit 2010 Vorstandsmitglied der Daimler AG, seit 2013 leitet er das Geschäftsfeld Daimler Trucks & Buses. Photo. Jacek Bilski

Herr Dr. Bernhard, Sie haben aus Ihrer Skepsis gegenüber Elektro-Trucks nie einen Hehl gemacht. Jetzt präsentiert Mercedes-Benz doch solch ein Fahrzeug. Woher der Sinneswandel?

Bernhard: Wir beschäftigen uns ja seit Jahren intensiv mit diesem Thema. Und es sah lange tatsächlich so aus, als ob die Einsatzmöglichkeiten von Batterien für Lkw extrem limitiert wären. Die kritischen Punkte waren hauptsächlich die hohen Kosten, die lange Ladedauer und die geringe Leistung. Jetzt hat die Technik aber große Fortschritte gemacht. Und der Markt ist im Werden.

Was ist bei der Technik geschehen?

Bernhard: Wie die Premiere unseres Urban eTruck zeigt, kommt jetzt die Elektro-Revolution in unserer Branche. Nehmen wir mal die Batterien: Da geht es nun mit großen Schritten vorwärts. Es ist abzusehen, dass die Kosten bis 2025 – verglichen mit 1997 – um den Faktor 2,5 sinken, während die Leistung um den Faktor 2,5 steigt. Das macht nicht nur Elektro-Pkw, sondern auch Elektro-Lkw wirtschaftlich.

Gilt das auch für Fernverkehrs-Lkw?

Bernhard: Dafür genügen die Errungenschaften bei den Batterien nicht. Für den Verteilerverkehr aber reichen die Fortschritte aus. In den Städten könnten Elektro-Lkw in naher Zukunft Realität werden.

Was für eine Reichweite hat der Urban eTruck von Mercedes-Benz zu bieten?

Bernhard: Beim dreiachsigen Solo-Lkw mit 26 Tonnen Gesamtgewicht, wie wir ihn gerade vorgestellt haben, reicht allein schon die Basisbestückung mit Batterien für ungefähr 200 Kilometer. Wir verwenden Module mit Lithium-Ionen-Batterien, die crashsicher in den Rahmen eingebaut sind.

Die wie aufzuladen wären?

Bernhard: Eine Ladeleistung von 100 kW vorausgesetzt, sind vollständig entleerte Batterien in zwei bis drei Stunden befüllt. In der Praxis wird es jedoch kaum zu vollständig entleerten Batterien kommen. Und der Lkw gewinnt während des Bremsens Energie zurück. Mit der Ladestation wird der Lkw über den europaweit standardisierten Stecker Combined Charging System verbunden.

Kann Ihr Elektro-Lkw bei der Nutzlast mit dem Diesel-Lkw mithalten?

Bernhard: Der Urban eTruck kommt auf ein Mehrgewicht von 1.700 Kilogramm gegenüber einem vergleichbaren Lkw mit Verbrennungsmotor. Da die EU-Kommission jedoch eine Erhöhung des zulässigen Gesamtgewichts für Lkw mit Alternativantrieb um bis zu eine Tonne befürwortet, reduziert sich die Nutzlast um nur 700 Kilogramm gegenüber einem herkömmlichen Lkw. Somit kommt der Urban eTruck auf eine Nutzlast von 12,8 Tonnen, die für das typische Einsatzgebiet, den städtischen Verteilerverkehr, mehr als ausreichend ist.

Ist eine entsprechende Nachfrage für ElektroLkw überhaupt schon da; und wie sähe der Zeithorizont bis zum Serienstart aus?

Bernhard: Bis zur Serienreife wird es natürlich noch etwas dauern. Ich denke, dass es zu Anfang des kommenden Jahrzehnts so weit sein kann. Ganz klar zu erkennen ist, wie das Interesse am Elektro-Lkw spürbar zunimmt. Weltweit leben mehr Menschen in den Städten als je zuvor, und dieser Trend wird sich fortsetzen. Zugleich gibt es rund um den Globus die Tendenz, dass immer mehr Städte den Lkw-Verkehr einschränken. Paris zum Beispiel zieht in Betracht, ab 2020 überhaupt keine Lkw mit herkömmlichem Antrieb mehr zu erlauben. Unsere Kunden wollen sich darauf vorbereiten. Sie suchen das Gespräch.

Das geschieht aber doch sicher nicht erst seit gestern?

Bernhard: Bei jeder Innovation ist das Timing entscheidend. Wer zu früh kommt, verliert Geld. Wer zu spät kommt, verliert den Markt. Jetzt ist die Zeit reif. Jetzt kommt die Elektromobilität beim Lkw an.

Wie sieht Ihre Strategie aus?

Bernhard: Wir sind entschlossen, das Geschehen in diesem neu entstehenden Segment von Anfang an mitzubestimmen. Wir haben Elektro-Lkw zu einem festen Bestandteil unserer Strategie gemacht. Sie werden ein fester Teil unseres Produkt-Portfolios. Es ist unser Ziel, den Kunden in naher Zukunft Elektro-Lkw anzubieten, die für sie wirtschaftlich sind. Und die im Verteiler-Lkw ihre Arbeit absolut zuverlässig verrichten.

Package: Zwischen den Längsträgern sitzen die Batteriepakete

Package: Zwischen den Längsträgern sitzen die Batteriepakete. Photo: DAIMLER

Interview Michael Kern

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