Roboter und Drohnen als Arbeitshelfer
Computer, Drohnen und Roboter sollen den Menschen von gefährlicher oder monotoner Arbeit befreien. Werden gesundheitsgefährdende Jobs in Zukunft wirklich sicherer – oder ganz ersetzt?

Zwar gilt das Flugzeug als das sicherste Verkehrsmittel, doch bei Abstürzen ist das Todesrisiko umso höher. Gut wenn die Technik zusätzlich schützt. Photo: AIRBUS
Dazu braucht man keine Statistik – der Beruf des Bergarbeiters gehört zu denen, die von Unfall oder gar Tod mit am häufigsten betroffen sind. Aber dort, wo in der westlichen Welt überhaupt noch Kumpel in die Schächte einfahren, ist deren Arbeitsplatz deutlich weniger gefährlich als etwa der ihrer chinesischen Kollegen – erst Anfang November 2016 starben nahe dem südwestchinesischen Chongqing 33 Minenarbeiter. Auch in vielen Entwicklungsländern sind tödliche Arbeitsunfälle schrecklicher Alltag – bis hin zur Katastrophe. 2013 waren in einer Textilfabrik in Bangladesch nach einem Feuer über 1.100 Tote zu beklagen.
So bitter es klingt: Dass diese Jobs gefährlich sind, ist nicht verwunderlich. Als 1994 die Welthandelsorganisation WTO gegründet wurde, forderte die damalige US-Regierung die Einbeziehung sozialer Mindeststandards in die Verträge. Die Entwicklungsländer waren dagegen, denn dann hätten sie nicht mehr so einfach mit ihrem größten Pfund wuchern können: billiger Arbeit. Ähnliche Zustände kennt man aus Westeuropa aus den Anfangstagen der Industrialisierung. Kinder sammelten unter Lebensgefahr den Schmutz unter laufenden Webstühlen ein. Die vor der Motorisierung von Wald- und Holzerntefahrzeugen häufig genutzten Dampfseilwinden bedeuteten Lebensgefahr für ihre Bediener. Mal flog ihnen der Kessel um die Ohren, mal riss das Stahlseil und zerschlug dabei alles, was ihm im Wege war. In den USA galt noch in den 1930ern beim Bau des Hoover-Staudamms: Kranke oder verletzte Arbeiter sind raus – die Schlange derjenigen, die den Job sofort übernehmen, ist lang genug.
Derlei rücksichtslose Ausbeutung menschlicher Arbeitskraft ist in der westlichen Welt heute die Ausnahme. Doch trotz aller Sicherungs- und Schutzmaßnahmen: Noch immer gibt es gefährliche Jobs in Deutschland, Europa und den USA. Lebensretter aller Art zählen zu den Gefährdeten, also Polizisten, Soldaten, Feuerwehrleute oder Berg- und Seenotretter. Ebenso sind Jobs auf dem Bau sowie in der Land- und Forstwirtschaft auf den vorderen Plätzen – Letztere, obwohl die Dampfseilwinden lange verschrottet wurden. Aber auch Hochseefischer oder Kraftfahrer aller Art liegen in den Statistiken vorn.
Andere Berufe sind nicht lebensgefährlich im Wortsinn, aber ihre Ausübung kann langfristig negative Folgen für die Gesundheit haben. Fast alle Menschen, die hart körperlich arbeiten, müssen im fortgeschrittenen Alter damit rechnen, dass Rücken oder Knie nicht mehr mitmachen. Egal ob akute Lebensgefahr oder Beeinträchtigungen, die zur Aufgabe des erlernten Berufs zwingen – moderne Technik kann in vielen Fällen helfen, den Beruf sicherer oder gesundheitsschonender auszuüben. In anderen Branchen, etwa der Pflege oder der Landwirtschaft, ist nicht die Gefährlichkeit der zu erledigenden Aufgaben das Problem – die Jobs sind monoton, anstrengend oder schlicht schlecht bezahlt. Helfer bei der Spargelernte etwa wissen abends, was sie tagsüber geleistet haben.
Viele der genannten Probleme lassen sich mit moderner Technik wirkungsvoll angehen – das Wort von der Industrie 4.0 macht seit einiger Zeit die Runde. Deutsche Forschungseinrichtungen entwickeln und erproben an vorderster Front – mal sind es nur Prototypen, mit denen man erkunden will, wohin die Reise gehen könnte, mal bereits vollständig ausgearbeitete, praxistaugliche Lösungen.
Dachdecker etwa leben gefährlich und Unfälle sind allgegenwärtig. Den Sturz von dem Einfamilienhaus überlebt man mit etwas Glück, den vom 30 Meter hohen Kirchturm eher nicht. Andere Branchen stehen vor ähnlichen Problemen: Windräder, Staumauern oder Brücken lassen sich nur mühsam und manchmal bloß unter Gefahr für Leib und Leben inspizieren. Die Fakultät Bauingenieurswesen der Bauhaus-Universität Weimar ließ das nicht ruhen. Sie stattete Drohnen von Ascending Technologies mit hochwertiger digitaler Foto- und Videotechnik aus. Sie schießt Tausende, manchmal Zehntausende Einzelfotos des zu inspizierenden Bauwerks. Aus diesen Aufnahmen entsteht im Computer ein 3D-Modell des Objekts – mit exakten Standort- und Maßangaben sowie deutlich hervorgehoben Schäden. Reparieren können diese Drohnen allerdings noch nicht. Hier ist der Mensch einstweilen nicht zu ersetzen.

Die Fakultät Bauingenieurswesen der Uni Weimar inspiziert Gebäude per Drohne und hochauflösender Bildtechnik – 3D-Darstellung inklusive. Photo: Universität Weimar
In Zukunft könnte ihm dabei aber modernste Technik zur Hand gehen und ihn sichern. An Exoskeletten, also einer Art Roboteranzug, arbeiten viele Firmen und Forschungseinrichtungen. Sie sollen beispielsweise das Anheben schwerer Lasten sichern und erleichtern. Viele bisherige Produkte sind aber noch schwerfällig und nicht ausreichend sicher. Das in Stuttgart angesiedelte Fraunhofer- Institut für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA) will dies mit seinem Prototyp ändern. Aktuell wird er in der Kabelmontage bei einem Bushersteller erprobt; außerdem beim Gepäckein- und -ausladen am Flughafen Frankfurt. Institutssprecherin Ramona Hönl rechnet mit der Serienreife in etwa drei Jahren. Mit einem geschätzten Preis von dann 30.000 Euro ist das Exoskelett sicher noch nichts für den kleinen Handwerksbetrieb, aber für die Serienfertigung oder eine konstant hohe Zahl abzufertigender Güter in der Industrie eine überschaubare Investition. Der Bremer Ableger des Deutschen Forschungszentrums für künstliche Intelligenz (DFKI) erprobt ein ähnliches Konzept in Zusammenarbeit mit einer Werft.
Auch Arbeiter auf Ölbohrplattformen gehören zu den Hochrisikogruppen. Für die Arbeit in dieser rauen Umgebung heißt die Antwort von Fraunhofer MIMROex. Laut IPA ist der mobile Wartungs- und Inspektionsroboter der weltweit Erste seiner Art. Er begutachtet selbsttätig Rohrleitungen, zeichnet die Daten auf und stellt sie dem Betreiber in einer zentralen Datenbank zur Verfügung. Auch er macht den Menschen nicht überflüssig – an die entsprechenden Stellen der Bohrinsel muss der Roboter noch geschoben werden. Dann aber erledigt er ermüdende, doch notwendige Routinekontrollen automatisch und erspart den Mitarbeitern die mühselige, zeitraubende und fehlerträchtige Dokumentation.
Die Magdeburger Kollegen vom Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF gehen mit „Annie“ noch einen Schritt weiter: Dieser Roboter soll Arbeiter unterstützen – und zwar anders als bisherige Industrieroboter nicht an einer festen Position irgendwo in einer Fabrikhalle, sondern frei beweglich. Auf Zuruf, also per Sprachsteuerung, reicht die Blechkollegin Schraubendreher oder hält Werkstücke fest. Auch Annie ist noch ein Prototyp. In Zusammenarbeit mit dem IFF entsteht zur Zeit ebenso ein Blumenkohlernter, eine Weiterentwicklung des Instituts-„Spargelpanthers“. Viele landwirtschaftliche Betriebe finden kaum noch geeignete Erntearbeiter – schon der seit 2014 geltende Mindestlohn in Deutschland ist für die Bauern eine Belastung, Deutsche bücken sich zu diesem Tarif nicht zehn Stunden am Tag nach Spargel. Bei Blumenkohl kommt noch hinzu: Menschliche wie maschinelle Ernter müssen Blätter beiseiteschieben, um zu beurteilen, ob der Kohl schon reif ist – nur dann kann er gepflückt werden. Eine sogenannte Hyperspektralkamera erkennt in der „Vita- Panther“ genannten Maschine, ob der Blumenkohl geerntet werden kann.
Ganz andere Probleme lauern im Weltraum. Das Robotik- und Mechatronikzentrum des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Oberpfaffenhofen tüftelt seit 2008 am Rollin’ Justin. Er könnte dereinst beispielsweise bei der Besiedelung des Mars helfen. Als autonomes System könnte Justin – auch vernetzt zu kleinen Einheiten – in der für Menschen kaum zu ertragenden Marsatmosphäre selbsttätig Arbeiten verrichten. Die Bedienung des Justin-Oberkörpers aus großen Distanzen probte das DLR bereits 2015. Im Rahmen des Kontur-2-Projekts wurde er per kraftreflektierendem Joystick von der Internationalen Raumstation ISS aus bedient.
Diese Force-Feedback-Joysticks kennen die meisten Konsolen- und Computerspieler. Sie vermitteln aber nicht den vollen Eindruck der Kräfte, die auf den Roboter ein- wirken. Einen Schritt weiter ging im Sommer 2016 das erwähnte DFKI Bremen. In der marsähnlichen Wüste des US-Bundesstaats Utah bauten die Forscher ihre Roboter auf, die von Bremen aus per Exoskelett bedient wurden. Ähnlich wie ein Baggerfahrer, der an den Bewegungen seines Fahrzeugs spürt, was um ihn vorgeht, bekam dank des Hightech-Anzugs auch der Bediener eine unmittelbare Rückmeldung über die Roboter und ihre Werkzeuge.
Auf den ersten Blick unspektakulär, aber mindestens genauso hilfreich sind Brillen wie etwa die von Vuzix, die dem Nutzer zusätzliche Informationen anzeigen oder wahlweise per Kamera die Realität um digitale Informationen ergänzen – etwa, wo genau sich ein Bauteil auf einem Gerät befindet. Je nach Einsatz und örtlichen Gegebenheiten kommen die Informationen per WLAN, Kabel oder von einer Micro-SD-Speicherkarte in die Brille. Die Brillen sind von mehreren Anbietern verfügbar. Die Herausforderung für den praktischen Einsatz besteht darin, Bewegtbilder anwenderfreundlich aufzubereiten. Dazu gehört beispielsweise die passgenaue Überlagerung von Realität und Zusatzdaten für den jeweiligen Nutzer. Beim DFKI Kaiserslautern entwickelte Dr. Nils Petersen im Rahmen seiner Dissertation Software, die diesen Prozess weitgehend automatisiert, den Augmented- Reality-Brillen also weitere Einsatzfelder eröffnet. Zwischenzeitlich wurde das Forschungsfeld in die Firma IOXP ausgegründet.
Solche Konzepte wurden auch schon für den Einsatz bei der Polizei erprobt, um etwa bei Kontrollen schneller prüfen zu können, ob ein Verdächtiger zur Fahndung ausgeschrieben ist. Für die Frauen und Männer in Blau ist aber oft elementarer Schutz noch wichtiger: Als sich im Sommer 2016 im texanischen Dallas ein Amokläufer, der bereits fünf Polizisten getötet hatte, in einem schwer zugänglichen Parkhaus verschanzte, nutzte die Polizei einen Roboter, um den Täter mittels Sprengstoff zu stoppen. Scharfschützen oder andere Spezialkräfte wären ohne Gefahr für ihr Leben nicht nah genug an den Mörder herangekommen. Nach diesem Ereignis flammte in den Medien eine Diskussion darüber auf, ob Roboter töten dürfen. Doch die Maschine traf keine eigene Entscheidung, sondern fungierte ferngesteuert als verlängerter Arm des Gesetzes. Auch Minenräumroboter, wie sie Militär und Kampfmittelräumer einsetzen, machen fernbedient nur das, was ein Mensch will. Bei einer möglichen Automatisierung dieser Geräte stellt sich dann die Frage nach der Verantwortung.
Die meisten Toten fordert in vielen Ländern der Welt immer noch der Straßenverkehr. Ein Großteil der Unfälle geht auf menschliches Versagen zurück. Bei Berufskraftfahrern im Fernverkehr kommen mehrere Gefahrenquellen zusammen. Zu den hohen Jahresfahrleistungen jenseits der 100.000 Kilometer gesellt sich häufig extremer Stress. Enge Zeitfenster beim Be- und Entladen und die Einhaltung aller gesetzlich bestimmten Lenk- und Ruhezeiten verschärfen den Druck. Das andere Extrem sind eintönige Nachtfahrten, bei denen die Gefahr der Unaufmerksamkeit oder des gefürchteten Sekundenschlafs steigt. Und wenn es dann kracht, ist es meist gravierend. Regelmäßig liest man die Meldungen über Auffahrunfälle mit Lkw, bei denen Menschen schwer verletzt oder getötet wurden.
Für Abhilfe wird mit zunehmender Marktdurchsetzung der Notbremsassistent sorgen. Seit November 2015 ist er in der EU für alle neu zugelassenen schweren Lkw Pflicht. Allerdings ist nicht von der Hand zu weisen, dass ein Großteil des internationalen Straßengüterverkehrs von Firmen aus Billiglohnländern abgewickelt wird, die oft ältere Lkw mit längeren Laufzeiten unterhalten.
Technisch ist der Lkw bereits in der Lage, automatisiert zu fahren. Auf der gesetzlichen Seite sind noch viele Fragen offen. Experten gehen davon aus, dass sich mit dieser Technik nicht bloß Unfälle durch menschliches Versagen verhindern lassen, sondern dass sich damit gleichfalls das Berufsbild stark verändern wird. So könnte die Einteilung der kostbaren Lenkzeit eines Fahrers besser an Route und Verkehrssituation angepasst werden, womit die Wirtschaftlichkeit solcher Systeme zunähme. Der Autopilot wird den Fahrer in absehbarer Zeit nicht vollständig ersetzen, aber teilweise. Neben seiner Entlastung im stressigen Autobahnverkehr macht ein automatisierter Lkw nicht bloß den Beruf seines Fahrers sicherer, sondern schützt auch andere Verkehrsteilnehmer.

Mercedes-Benz erprobt in seinem „Future Truck 2025“ autonomes Fahren auf öffentlichen Straßen. Photo: Daimler AG
Text: Karl-Gerhard Haas