Dubai: Mit der Drohne dem Stau entfliehen

Raus aus dem Stau, rein in die Drohne! Was gestern nach ­fantastischer Zukunftsvision aussah, soll in Dubai noch dieses Jahr Realität werden. Die Wüstenmetropole will als erste Stadt der Welt Pendler in die Luft gehen lassen.

Volocopter 2X heißt das 160 Kilogramm leichte Fluggerät, an dessen Finanzierung unter anderen auch Daimler beteiligt ist. Foto: Volocopter

Volocopter 2X heißt das 160 Kilogramm leichte Fluggerät, an dessen Finanzierung unter anderen auch Daimler beteiligt ist. Foto: Volocopter

Der alte Traum, mit einem fliegenden Auto den Stau zu überwinden, hat gute Chancen, wahr zu werden, jedoch eher als autonom fliegende Großdrohne denn als klappflügeliges Straßenvehikel. Dutzende von Luftfahrzeugherstellern arbeiten an entsprechenden Projekten, die vor allem in Großstädten eine Alternative zu dem Stillstand auf der Straße bieten sollen. Eine Vorstufe, wie sich diese Entwicklung fortsetzt, kennen besonders privilegierte Bewohner der brasilianischen Metropole São Paulo. Dort sorgen Landeplätze auf Hochhäusern und über 400 Hubschrauber für schnelle Verbindungen über die chronisch verstopften Straßen der Millionenstadt hinweg. Allerdings sind Helikopter mit Verbrennungsmotoren komplexe und teure Fluggeräte, die für Air-Taxi-Dienste der Zukunft nicht taugen.

Versuchsbetrieb mit der Drohne startet Ende des Jahres

Den Schlüssel für diese abgehobene Form der urbanen Mobilität sehen zahlreiche Start-ups, aber auch namhafte Großkonzerne wie Airbus, Google oder Uber in elektrisch angetriebenen Fluggeräten, die ihre Passagiere oder Fracht vollautomatisch an den Bestimmungsort bringen. Unmanned Aerial Systems (UAS) heißen diese Fluggeräte ohne Pilot in der Fachwelt, umgangssprachlich werden sie oft als „Drohnen“ bezeichnet. In der Branche herrscht Goldgräberstimmung. Mit kreativen Ideen und pfiffigen Lösungen wollen sich die Firmen jetzt schon ihren Anteil an dem erwarteten Milliardenmarkt sichern.

Der europäische Aerospace-Konzern Airbus und die Design-Schmiede Ital­design haben mit dem Pop Up ein Mobilitätskonzept entwickelt, das autonomes Fahren und Fliegen vereint. In zehn Jahren soll es Realität sein. Am Boden ist Pop Up ein Elektroauto, bei Bedarf kommt ein per App bestellter Quadrocopter und dockt sich an das Gefährt an, das so zur Drohne mutiert. Nutzer benötigen weder einen Flug- noch einen Führerschein. Die Dubai Roads and Transport Authority (RTA) nährt die Hoffnung auf eine schnellere Umsetzung der neuen Technologie. Zunächst wollte sie bereits in diesem Sommer in Dubai den Versuchsbetrieb mit der chinesischen Drohne Ehang 184 aufnehmen, nun sieht es so aus, als wenn der Testbetrieb im vierten Quartal starten könnte. Neben der Ehang 184 kommt jetzt auch das futuristische Fluggerät Volocopter 2X aus Karls­ruhe zum Einsatz.

Flugbuchung per App

Das Konzept ist einfach: Passagiere bestellen per App eine Drohne und geben ihr gewünschtes Ziel ein. Die nächste freie Drohne meldet dem Fluggast die Ankunftszeit und die geplante Flugstrecke auf das Smartphone, nimmt ihn auf und fliegt ihn zu seiner Destination. Momentan passt nur ein Fluggast mit einer Tasche und einem Maximalgewicht von 100 Kilogramm in die Ehang-Drohne, aber mit diesem Versuch ist ein Anfang gemacht. Im Testbetrieb in Dubai wird es nur bestimmte Start- und Landepunkte entlang der großen Verkehrsachsen geben, später können beliebige andere Air-Taxi-Haltestellen dazukommen. Beide Großdrohnen steigen per Elek­troantrieb in den Himmel und können – um die knappen Räume in Städten besser zu nutzen – senkrecht starten und landen. Die Ehang 184 verfügt über acht Rotoren, der Volocopter 2X gar über 18. Dies sorgt auch für Sicherheit, denn sollte einmal ein Rotor ausfallen, beträgt der Leistungsverlust bei acht Rotoren 12,5 Prozent, bei 18 Rotoren sogar nur 5,5 Prozent. Nur mit der entsprechenden Zuverlässigkeit findet ein autonom agierendes Transportsystem die benötigte breite Zustimmung der Nutzer, das wissen auch die Hersteller. Deshalb sind die fliegenden Taxis so programmiert, dass sie bei einem technischen Problem sofort die nächste geeignete Landestelle ansteuern. Einige Drohnen haben ein Gesamt­rettungs­sys­tem an Bord, das in einem Notfall das Fluggerät an einem Fallschirm zu Boden schweben lässt.

Der reine Elektroflug stößt bislang noch schnell an seine Grenzen. Die Energiedichte heutiger Batterien lässt keine allzu langen Flüge zu. Die für den Einsatz in Dubai vorgesehene Ehang 184 erreicht immerhin eine maximale Flugzeit von knapp einer halben Stunde, bei etwa 50 Kilometer Reichweite. Wettereinflüsse wie große Hitze oder starker Gegenwind beeinflussen die Flugleistungen zusätzlich. Außerdem benötigen die Akkus heute noch relativ lange Ladezeiten. Der chinesische Hersteller rechnet mit einer Schnellladung der Energiespeicher in einer Stunde, die Standardladezeit nach einem Flug mit maximaler Dauer liegt bei zwei Stunden. Deswegen kommen andere Hersteller, wie etwa die Workhorse Group, auch mit hybriden Antriebskonzepten: Bei der SureFly erzeugt ein Ver­bren­nungs­motor die notwendige elektrische Energie für die acht paarweise an Auslegern montierten Rotoren. Ende des Jahres soll der Prototyp zum Erstflug starten.

Der Lilium Jet soll senkrecht starten und landen, um die engen Räume in den Metropolen besser zu nutzen. Foto: Lilium

Der Lilium Jet soll senkrecht starten und landen, um die engen Räume in den Metropolen besser zu nutzen. Foto: Lilium

Auf Elektroflug und Senkrechtstart setzt auch die Firma Lilium aus Gilching bei München. Ihre zweisitzige Drohne Lilium Jet soll mit 300 km/h Reisegeschwindigkeit und einer Reichweite von bis zu 300 Kilometern Maßstäbe setzen. „Wir bauen den ersten vollständig elektrisch betriebenen, senkrecht startenden und lan­den­den Jet“, sagte Lilium-Gründer Daniel ­Wiegand. Das Projekt ist ohne öffentliche Förderung vollständig privat finanziert – so wie die Mehrzahl der Projekte in diesem Bereich.

Im April dieses Jahres schickte Lilium den Prototyp des Fluggeräts am Flugplatz Mindelheim-Mattsies zum ersten Mal in die Luft. Der Antrieb besteht aus 36 ummantelten Propellern, die in zwölf Paketen zu je drei Einheiten an den Hinterkanten der Tragflächen angebracht sind. Zum Start schwenken sie nach unten, im Reiseflug kehren sie in die Horizontale zurück. Schon 2019 will Lilium das erste Mal bemannt abheben, ab 2025 ist der Einsatz als Air-Taxi möglich. Die Flugpreise sollen nicht teurer sein als eine Taxifahrt über eine vergleichbare Strecke. Drohnen könnten in der urbanen Mobilität schon bald eine Rolle spielen, aber die rechtlichen Rahmenbedingungen dafür sind noch nicht gegeben. Der europäischen Agentur für Flugsicherheit, EASA, sowie der US-Luftfahrtbehörde FAA ist dies bewusst, und beide arbeiten daran, die Voraussetzungen zu schaffen, um den sicheren Betrieb solcher Fluggeräte zu ermöglichen. Die Idee früherer Flugauto-Hersteller, im Stau einfach die Flügel auszuklappen, um dem Stau zu entfliegen, wird damit auf zeitgemäße Weise neu interpretiert.

Interview: Drei Fragen an Markus-Pascual König

Markus Pascual-König, Berater und Trainer für den Fachbereich Aviation Safety bei DEKRA Aviation Services. Foto: Martin Joppen Photographie GmbH

Markus Pascual-König, Berater und Trainer für den Fachbereich Aviation Safety bei DEKRA Aviation Services. Foto: Martin Joppen Photographie GmbH

Firmen, die autonom fliegende Drohnen für Air-Taxi- und Paketzustelldienste entwickeln, verbreiten derzeit Goldgräberstimmung. Glauben Sie, dass in wenigen Jahren in Deutschland diese Fluggeräte weit verbreitet sein werden?

Pascual-König: Momentan sieht es so aus, dass es in Europa für den Einsatz von Großdrohnen und das autonome Fliegen generell gar keine rechtlichen Grundlagen gibt. Damit es dazu kommt, müssen die regulatorischen Grundlagen erst einmal geschaffen werden.

Sind unbemannte Fluggeräte denn überhaupt sicher im Luftraum zu betreiben?

Pascual-König: Da sind noch eine Menge Fragen zu klären. Man muss auf jeden Fall den Konflikt zwischen den konventionellen Flugzeugen und dem autonomen Fliegen mit Drohnen entzerren. Dabei spielt neben technischen Fragestellungen wie zum Beispiel, was passiert, wenn eine Drohne einen Fly-away erleidet, abstürzt oder verunfallt, die Schulung und die Ausbildung der Bediener eine entscheidende Rolle. Fakt ist, das autonome Fliegen mit Drohnen wird kommen, allerdings unter Aufsicht, etwa der Flugsicherung.

Welche Rolle könnte DEKRA Aviation Services dabei spielen?

Pascual-König: Wir können unsere Expertise in Ausbildung und Schulung einbringen. Da sind wir ganz vorne mit dabei. DEKRA Aviation Services wird in den nächsten Wochen eine zugelassene Schulungsstelle für Drohnenbediener werden, wenn auch zunächst für kleine UAVs mit einem Maximalgewicht von 25 Kilogramm. Gerade bei Safety Management, Compliance Management und Monitoring kann DEKRA ­Aviation Services einen wertvollen Beitrag zur Sicherheit im Umgang mit Drohnen leisten.

 

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