Am stählernen Faden
Höher, spektakulärer, weiter. Seilbahnen brechen immer neue Rekorde und gelten dabei als das sicherste Verkehrsmittel überhaupt.

Mi Teleférico im bolivianischen La Paz ist das höchstgelegene und längste Stadt-Seilbahnnetz der Welt. Wenn es 2019 fertiggestellt ist, verkehren mindestens zehn Linien in über 4.000 Meter Höhe – ein spektakulärer Blick auf die Anden inbegriffen. Foto: Getty Images – Florentina Goergescu
Geflochtene Körbe, die auf einem Seil aus Hanf über tiefe Schluchten schweben, die Stützpfeiler aus Bambus und der Betrieb nur manuell möglich – es muss jede Menge Mut erfordert haben, in diese Urform heutiger Seilbahnen einzusteigen. Die ersten soll es bereits vor mehr als tausend Jahren in Japan gegeben haben. Mensch und Ware konnten jedoch konstruktions- und materialbedingt nur vergleichsweise kurze Distanzen überwinden. In Europa entstand die erste funktionstüchtige Seilbahn im Jahr 1644, als der Holländer Adam Wybe in Eimern Material für den Bau einer Bastion bei Danzig transportierte. Nachdem dann im 19. Jahrhundert in Deutschland das geschlagene Drahtseil entwickelt worden war, ging es mit den Seilbahnen im wahrsten Sinne des Wortes bergauf.
Seilbahnen dienen oft als touristische Attraktion
Natürlich war man noch weit entfernt von der gegenwärtigen Hochtechnologie, wo Kabinen mit Rundumverglasung oder als Cabrio am Computer entworfen werden und dank moderner Ingenieurskunst Hunderte Menschen gleichzeitig befördern können. Meist steht heute beim Bau der Bahnen, von den Alpen bis nach Vietnam und Kanada, die touristische Attraktion im Vordergrund. Beim österreichischen Hersteller Doppelmayr machen solche Projekte 80 Prozent der Aufträge aus. Das Unternehmen aus dem Vorarlberg hält nach eigenen Angaben mit einem Anteil von 60 Prozent den ersten Platz auf dem Weltmarkt, gefolgt von der italienischen Leitner AG aus Südtirol. Beide Unternehmen bringen es gemeinsam auf etwa 90 Prozent am weltweiten Seilbahngeschäft.
Der Schwerpunkt liegt beim Wintersport, wobei es in den klassischen Skimärkten insbesondere um den Bau von Ersatzanlagen geht. Eine von ihnen ist die neue Seilbahn zur Zugspitze, die bei Garmisch-Partenkirchen Ende vergangenen Jahres eingeweiht wurde und die alte Eibsee-Seilbahn aus dem Jahr 1963 abgelöst hat. Mit nur einem 127 Meter hohen Stützpfeiler schwebt die Bahn über ein freies Spannfeld von 3.213 Metern zu dem höchsten Gipfel in Deutschland. Damit sind ihr gleich zwei Weltrekorde sicher. Den dritten hielt bereits die Vorgängerbahn, denn hier wird auf einem einzigen Streckenabschnitt der bei Pendelseilbahnen größte Höhenunterschied von fast 2.000 Metern überwunden.

Die Seilbahn Zugspitze ersetzt ein Modell aus dem Jahr 1963. Mit der höchsten Stahlbaustütze (127 Meter), dem längsten freien Spannfeld (3.213 Meter) und dem größten Höhenunterschied in einer Sektion (1.945 Meter) wartet sie mit drei Weltrekorden auf. Foto: Bayerische Zugspitzbahnen, Matthias Fend
Die am höchsten gelegene Seilbahn der Welt ist im Norden Chinas zu finden und setzt standortbedingt auf ganz besondere Sicherheitsmaßnahmen: Damit die Passagiere der Dagu Glacier Gondola unbeschadet am Gletscher auf 4.843 Meter Höhe ankommen, stehen in Kabinen und Stationen Sauerstoffflaschen und Atemmasken bereit. Maßnahmen, die in der Hòn-Thom-Bahn im Süden Vietnams unnötig sind. Atemberaubend für die Gäste ist hier eher der weite Blick aus den Gondeln, die zwischen zwei Ferieninseln über das Meer pendeln.

Die längste Seilbahn der Welt wurde im Februar 2018 in Vietnam eröffnet. Auf knapp 7.900 Metern verbindet die Hòn Thom zwei Ferieninseln und bricht den Rekord der ebenfalls in Vietnam erbauten Fansipan Legend um knapp eineinhalb Kilometer. Foto: Doppelmayer Seilbahnen
Es wird viel getan, um der Fahrt durch die Luft magische Momente zu verleihen, und von der Sitz- über die Scheibenheizung bis hin zum gläsernen Fußboden gibt es jegliche Art von Komfort und von Extravaganz. Aber wohl genauso wichtig ist es, dass Seilbahnen den kleinen Traum vom Fliegen erfüllen, vom Fliegen mit Aussicht. Denn sie erschließen unwegsames Gelände, sie schweben die kürzeste Strecke auf steile Berge hinauf und können ebenso Straßen, Flüsse oder Meerengen überbrücken. Dabei wird verstärkt darauf geachtet, dass sich Stationen und Kabinen ästhetisch in die Landschaft einfügen und auch für den bloßen Betrachter ein Erlebnis sind.
Dabei gelten Seilbahnen als sicherstes Verkehrsmittel überhaupt, denn die Wahrscheinlichkeit, einen Unfall mit Todesfolge zu erleiden, liegt bei etwa 1 zu 1,7 Milliarden Beförderter. Und es wird viel getan, damit das auch so bleibt. Das automatisierte Fahren wird mit der Seilbahn schon von jeher umgesetzt, und auch unter Umweltaspekten hält sie locker mit: Ihr Antrieb erfolgt elektrisch und kann deshalb ökologisch verträglich gestaltet werden; für Stützpfeiler und Stationen werden der Natur nur relativ geringe Flächen geraubt. Inzwischen sind Seilbahnen deshalb auch im Nahverkehr mancher Städte nicht mehr wegzudenken. So verbindet das weltgrößte städtische Seilbahnnetz die auf 3.600 Metern gelegene bolivianische Hauptstadt La Paz mit dem 4.200 Metern hohen El Alto. Mi Teleférico hilft dabei, das Verkehrschaos am Boden zu entschärfen, weshalb so manche verkehrsüberlasteten Städte mit dem Gedanken spielen, ebenfalls ein solches Beförderungssystem zu etablieren. Und wie schon vor mehr als tausend Jahren ist auch hier an mancher Stelle Mut gefragt.
Auf Draht mit DEKRA

Damit die Sicherheit von Seilbahnen gewährleistet ist, sind regelmäßige Kontrollen unabdingbar Foto: DEKRA
Damit die Sicherheit von Seilbahnen gewährleistet ist, sind regelmäßige Kontrollen unabdingbar. Bei der französischen DEKRA Tochter DEKRA Industrial SAS – Activité montagne erledigt Denis Basset diese verantwortungsvolle Aufgabe. Man trifft ihn im größten Skigebiet Frankreichs an, in La Plagne, aber auch im 2.477 Meter hoch gelegenen La Clusaz in den Savoyer Voralpen.
Bei den jährlichen Kontrollen gehe es um die Mechanik und die Steuerungstechnik, erläutert Basset. „Ich prüfe die Bremsen im Leerzustand und beladen sowie die Kupplungseinrichtungen.“ Sollte bei einem Halt eine Bremse versagen, muss beispielsweise automatisch eine andere aktiviert werden. Im Mittelpunkt stehen besonders auch die Spannvorrichtungen der Seile und – nicht zu vergessen – die Seile selbst.
Sie werden mit einem Gerät untersucht, das das Kabel umschließt und aus einem Magneten und einer Spule besteht. Unregelmäßigkeiten werden so mithilfe elektrischer Spannung aufgespürt. „Für die richtige Interpretation der Aufzeichnungen braucht man schon ein bisschen mehr Erfahrung“, erläutert Basset. Wenn es um die Kontrolle von fixen Tragseilen geht, muss das Messgerät zudem am Kabel entlanggeführt werden. „Das passiert in der Luft“, sagt Basset. Höhenangst kann er sich in seinem Beruf nicht leisten.
Hochentwickelte Assistenzsysteme für mehr Sicherheit
Fahrerassistenzsysteme können Unfälle vermeiden oder dazu beitragen, die Folgen zu mindern. Allerdings ist die Ausstattungsquote der Fahrzeuge mit elektronischen Helfern bislang noch gering. An diesem Punkt setzt jetzt eine EU-Verordnung an – mit der Vorgabe eines Mindeststandards für Fahrerassistenzsysteme in neuen Autos.