Projekt Urlaub

Den Urlaub planen viele bereits akribisch über das Smartphone. Auch die Fotos schießen wir mit dem digitalen Multitool. Auf der Suche nach Adrenalin oder Endorphin wird das Gerät künftig noch viel mehr leisten. 

Es gibt unzählige Möglichkeiten, eine Reise zu gestalten. Foto: Fotolia - alphaspirit

Es gibt unzählige Möglichkeiten, eine Reise zu gestalten. Foto: Fotolia – alphaspirit

Eine Bahnreise, stehend im offenen Wagon, als Catering Schinkenbrote und Tee. Ein solches Reiseangebot wäre heutzutage ein Ladenhüter, aber Mitte des 19. Jahrhunderts galt die Idee als revolutionär. Thomas Cook hieß der Mann, der diese Reise 1841 organisierte. Er gilt damit als Erfinder des Pauschaltourismus. Sein Ausflug für Mitglieder der Abstinenzlerbewegung kostete nur einen englischen Schilling und war damit selbst für Arbeiter bezahlbar. 570 Personen fuhren mit.

Nach und nach baute Cook das Reisen in der Gruppe zu einem lukrativen Geschäft aus. Seine Idee so simpel wie genial: Er buchte Bahntickets im Bündel und verkaufte sie mit einem kleinen Aufschlag weiter, dazu arrangierte er Verpflegung und Blasmusik für die Gruppe. Bald führte er seine Reisegruppen aus der Enge der Britischen Inseln hinaus nach Italien und Frankreich und organisierte gar erschwingliche Nilkreuzfahrten und Touren in die neue Welt für das gemeine Volk.

Reisen als Privileg des Adels

Bis zu Cooks bahnbrechendem Konzept war das Reisen zu Freizeit- und Erholungszwecken allein dem Adel und dem gehobenen Bürgertum vorbehalten gewesen. Vom 16. bis 18. Jahrhundert galt die so genannte „Grand Tour“ für junge Adlige als Teil ihrer Ausbildung. Der Trend begann ebenfalls in Großbritannien und verbreitete sich später unter dem Adel Europas. Die Reise, die mehrere Jahre dauern konnte, führte sie zu den wichtigen kulturellen und historischen Stätten Europas, vor allem nach Italien und an die Höfe Frankreichs, Deutschlands oder der Niederlande. Bereits damals bildete sich ein Markt für Equipment und Hilfsmittel für die Touristen. Dazu gehörten Reiseführerliteratur, Kartenmaterial und Vokabellisten. Lokale Reise- und Bergführer boten an den Zielorten ihre Dienste an.

Reisetrends im Zeitraffer

Als sich in Europa ein Bürgertum herausbildete, bestehend aus Gelehrten, Beamten und gut betuchten Händlern, war es mit dem Reiseprivileg des Adels vorbei. Um jedoch ihr Prestige zu wahren und sich von den Bürgern abzuheben, fanden diese neue Formen des Reisens. Kurorte und Bäder entstanden, wo der Adel wieder unter sich war. Orte wie Baden-Baden in Deutschland, Spa in Belgien oder Karlovy Vary (Karlsbad) in der Region Böhmen im Westen Tschechiens zeugen von dieser Zeit. Erholung ist auch heute noch der Hauptgrund für den Urlaub, doch daneben steht das Ziel, während der Reise oder am Urlaubsort auch etwas Außergewöhnliches zu erleben.

Viel belächelt wurden schon asiatische Reisegruppen, die ganz Europa in einer Woche durcheilen. Von Erholung kann da kaum die Rede sein, eher ist es der Kick, dort gewesen zu sein und das Beweisfoto live mit den Daheimgebliebenen zu teilen. Ein anderer Trend aus China sind die beachtlichen Einkaufstouren, der oft sehr wohlhabenden Reisenden. Angesichts hoher Luxussteuern in der Heimat erscheinen ihnen viele teure Markenartikel sehr günstig. Das berühmte Pariser Kaufhaus Lafayette hat deshalb extra eine Filiale für chinesische Reisende eröffnet. Das Lafayette Welcome Center verströmt zwar nicht den Charme des Stammhauses, aber die Beschilderung ist auf Chinesisch und auch das Angebot ist dem asiatischen Geschmack angepasst.

Anteil der Übernachtungen auf Auslandsreisen in EU-28 nach Wohnsitzland des Reisenden. Grafik: DEKRA

Anteil der Übernachtungen auf Auslandsreisen in EU-28 nach Wohnsitzland des Reisenden. Grafik: DEKRA

Tourismus verändert Branchen und Urlaubsziele

Auch in anderen Teilen der Welt ist Reisen voll im Trend. Jährlich machen sich zwei Millionen Muslime auf nach Mekka und fordern dabei die örtliche Logistik heraus. Laut einer Untersuchung des World Travel Monitors sind zudem etwa 60 Prozent der 1,8 Milliarden Muslime weltweit unter dreißig. Sie wollen genauso die Welt entdecken wie ihre andersgläubigen Altersgenossen, aber dabei nicht ihre religiösen Gebote brechen. Einige Reiseagenturen und Buchungswebseiten bieten daher eigens zugeschnittene Angebote mit alkoholfreien Hotels, Halal-Restaurants und Resorts, die spezielle Pools oder Badezonen für muslimische Frauen anbieten.

Während das Reisen in früheren Jahrhunderten den unerschrockenen Abenteurern und Privilegierten vorbehalten war, ist es heute dank Billigfliegern und Webseiten, mit denen man von zu Hause aus auf fast jedem Fleck der Erde eine Unterkunft oder ein Transportmittel reservieren kann, zum Massenphänomen geworden. Nicht nur das Buchen ist einfacher geworden; man kann sich über das Internet auch genauestens informieren, Bilder ansehen und Bewertungen lesen.

Übertourismus: Ein großes Problem der Reisebranche

Allerdings hat das Reisen als Massentrend auch eine Kehrseite. Beliebte Ziele werden regelrecht überrannt und das ursprüngliche Flair geht verloren. Die Welt-Tourismusorganisation der Vereinten Nationen (UNWTO) hat den sogenannten „Übertourismus“ als eines der größten Probleme der Reisebranche benannt und hatte 2017 zum internationalen Jahr des nachhaltigen Tourismus ausgerufen, um auf CO2-Belastung und Naturschutz im Tourismus aufmerksam zu machen.

Top-5-Gründe für die Wahl einer nachhaltigen Reiseunterkunft. Grafik: DEKRA

Top-5-Gründe für die Wahl einer nachhaltigen Reiseunterkunft. Grafik: DEKRA

 

Orte wie Venedig oder Mallorca kämpfen seit Langem mit einem unregulierten Besucherstrom. Die digitale Vernetzung hat den Negativtrend verstärkt. Selfies an lohnenswerten Zielen verbreiten sich viral in sozialen Netzwerken und ziehen noch mehr Besucher an. Apartment-­Sharing-Plattformen wie Airbnb, über die jeder kinderleicht online ein Zimmer an beliebten Reisezielen buchen kann, haben dafür gesorgt, dass in touristisch beliebten Städten wie Barcelona oder Berlin die Wohnungspreise in die Höhe schießen, weil Wohnungsbesitzer und Agenturen mehr Geld mit Touristen verdienen können als mit Langzeitmietern. Anwohner klagen über andauernde Partys von Kurzzeitnachbarn und allnächtliches Klackern von Rollkoffern auf dem Kopfsteinpflaster unter dem Schlafzimmerfenster.

Die Vokabel "Overtourism" bringt die Probleme im Jahr 2017, z. B. in Venedig oder Barcelona, auf den Punkt. Foto: Marco Bottigelli

Die Vokabel „Overtourism“ bringt die Probleme, z. B. in Venedig oder Barcelona, auf den Punkt. Foto: Marco Bottigelli

Das Problem sei nicht der große Andrang an sich, sagt Alexis Papathanassis, Direktor des Instituts für Maritimtourismus in Bremerhaven, sondern das mangelnde Management der Touristenströme. Viele der stark frequentierten Destinationen haben inzwischen begonnen, Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Venedig hat die Landegenehmigungen für Kreuzfahrtschiffe eingeschränkt. Technische Innovationen helfen zudem, die Touristenströme zu lenken. Besucher können per App in Echtzeit nachverfolgen, wie voll es gerade auf dem berühmten Markusplatz ist, und sich eine ruhigere Phase aussuchen. Die Stadtverwaltung denkt zudem darüber nach, Eintritt für den Stadtkern zu verlangen.

Solche Maßnahmen sind nicht ungewöhnlich. So müssen beispielsweise in China Besucher Eintritt zahlen, um die historische Altstadt von Lijiang in der südlichen Provinz Yunnan zu besuchen. Auch die peruanische Regierung will für das Weltkulturerbe Machu Picchu die Besucherzahl beschränken. Zuletzt war diese auf mehr als 2.500 pro Tag angestiegen. Inzwischen dürfen Touristen nur noch drei festgelegte Routen benutzen und müssen ein Ticket für den Besuch entweder am Vor- oder Nachmittag buchen.

Die Top-10-Reiseziele 2017. Grafik: DEKRA

Die Top-10-Reiseziele 2017. Grafik: DEKRA

Instagram-Butler führen Touristen an bildwirksame Orte

Die Generation der Millenials, also Personen zwischen Anfang zwanzig und Ende dreißig, reist so viel wie nie zuvor. Das bestätigt auch der FutureCast Report „Travel and Lodging“ von Barkley. So machen Millenials 70 Prozent aller Hotelübernachtungsgäste in den USA aus. Doch dahin zu reisen, wo alle sind, gilt zunehmend als out. Der Trend geht zu möglichst außergewöhnlichen und individuellen Erlebnissen. Nicht selten wird die Reise mit Outdoor-Sport kombiniert.

Statt klassischer Pauschalreise sind geplante Trips mit individualisierten Touren vor Ort gefragt und Übernachtung im Boutique-Hotel statt in der Bettenburg. Auch soziale Medien spielen eine große Rolle: Junge Reisende möchten zum Beispiel mit ihrem Aufenthalt in originellen Unterkünften wie etwa Baumhäusern oder Luxuszelten nicht nur etwas Besonderes erleben, sondern genauso ihre Follower auf Instagram und Pinterest beeindrucken. Ein Hotel auf den Malediven bietet dafür einen speziellen Instagram-Butler, der Besucher an bildwirksame Orte führt.

Auslandsreisen und Reisemarkt. Grafik: DEKRA

Auslandsreisen und Reisemarkt. Grafik: DEKRA

In den USA existiert seit einiger Zeit der Trend, eine Geschäftsreise um ein paar freie Tage zu verlängern. Dafür gibt es sogar einen eigenen Begriff: „bleisure“ – eine Wortschöpfung, die sich aus den Begriffen „business“ und „leisure“, also Arbeit und Freizeit, zusammensetzt. Allerdings geben in einer Umfrage des Associated Press-NORC Center for Public Affairs Research mehr als zwei Drittel der US-Amerikaner an, dass sie solche Trips nicht als wirklichen Urlaub empfinden. Kurztrips und Städtetrips stehen dennoch hoch im Kurs. Aber auch Fernreisen werden dank größerer Reichweiten von Flugzeugen einfacher. Seit März gilt die Verbindung von Perth nach London als längste Nonstop-Route der Welt. Flugdauer: rund 17 Stunden.

Technik revolutioniert das Reisen

Schon Thomas Cook hatte sich im beginnenden Eisenbahn-Zeitalter eine technologische Innovation zunutze gemacht. Heute beeinflusst digitale Technologie die Reisebranche zunehmend. So wird schon die Reisevorbereitung zum Erlebnis. Per virtuellem 3D-Trip am Computer können Urlauber sich vorab am Zielort umsehen. Einige Hotels nutzen bereits diese Möglichkeit, um Kunden zu werben. Städte wie Houston in den USA versuchen sich als lohnenswerte Ziele zu präsentieren, indem sie potenziellen Besuchern die Möglichkeit geben, sich die Stadt vorab in 3D anzuschauen. Auf der türkischen Webseite „3D-Mekanlar“ kann man historische Orte wie die ägyptischen Pyramiden per virtueller Tour besuchen oder sich in historischen türkischen Bädern umschauen. Auch Museen bieten vermehrt 3D-Touren an, wie etwa das Britische Museum in London oder das Museum of Modern Art in New York. Augmented-Reality-Apps, die Besuchern vor Ort Informationen ins Bild der Handy­kamera einblenden, werden das Reisen zunehmend prägen.

Kurztrips per Virtual-Reality-Brille vom heimischen Sofa aus könnten mittelfristig auch zum Trend werden. Bereits heute beeindrucken die Brillen mit der Stärke ihrer Effekte bei der Darstellung virtueller Welten, der Immersion. Das Raumgefühl ist sehr ausgeprägt, obwohl die darin verbauten Bildschirme durch die stark vergrößernde Optik immer noch recht grobkörnig erscheinen. Das gilt selbst dann, wenn Smartphones der neuesten Generation zum Einsatz kommen.

2016: Aus Pappe mit Handy oder als Hightech-Gerät – mit der VR-Brille sind virtuelle Ortswechsel möglich. Foto: Olaf Rössler

2016: Aus Pappe mit Handy oder als Hightech-Gerät – mit der VR-Brille sind virtuelle Ortswechsel möglich. Foto: Olaf Rössler

Virtuelle Reisen haben messbaren Erholungseffekt

Bis es so weit ist, wie im neuesten Steven-Spielberg-Film „Ready Player One“, wo die Protagonisten kaum noch einen Unterschied zwischen realer und künstlich generierter Welt in ihren VR-Brillen sehen können, wird es wohl noch einige Generationen der Bildschirmtechnik brauchen. Sehr gut möglich, dass das visionäre Hollywood mit seinem Ausblick auf die Technik der nahen Zukunft – der Film spielt um das Jahr 2045 – nicht so falsch liegt.

Während es im Science-Fiction-Film „Ready Player One“ eher um Ablenkung von der tristen Realität geht, deuten aktuelle Studien der US-Raumfahrtbehörde NASA schon an, dass virtuelle Reisen selbst mit heutiger Technik einen messbaren Erholungseffekt haben. In einer Forschungsstation auf Hawaii erprobt die NASA eine Mission zum Mars, für die sechs Wissenschaftler ein Jahr lang in einer nachgebauten Raumstation in Isolation leben. Per VR-Brille können sie auf Kurzurlaub gehen und sich erholen. Wer umgekehrt einen Kurztrip zum Mars erleben möchte, kann dies ebenfalls via VR-App, wie zum Beispiel „Hello Mars“, unternehmen. Per Simulation, die auf originalen Berechnungen der NASA basiert, lassen sich der Eintritt in die Marsatmosphäre und die Landung auf dem Roten Planeten nacherleben. Zumindest virtuell gibt es für Reiselustige also schon 2018 keine Grenzen mehr.

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