Urban wird human

Städte suchen weltweit nach Lösungen für ihr Verkehrsproblem. Das oberste Ziel dabei ist es, die Anforderungen der Menschen an Mobilität und Lebensräume miteinander in Einklang zu bringen.

Stadtinterne Vernetzung: Wuxi in China ist zu einem Sechstel seiner Stadtfläche ein Testfeld für das autonome und vernetzte Fahren. LTE-Mobilfunk verbindet Infrastruktur wie Ampeln und Verkehrsschilder mit Autos und Bussen. Bis 2019 sollen 100.000 Autos und die Infrastruktur flächendeckend vernetzt sein. Foto: getty images - shuige

Stadtinterne Vernetzung: Wuxi in China ist zu einem Sechstel seiner Stadtfläche ein Testfeld für das autonome Fahren. LTE-Mobilfunk verbindet Infrastruktur wie Ampeln und Verkehrsschilder mit Autos und Bussen. Foto: getty images – shuige

Mehr als die Hälfte der Erdbevölkerung lebt aktuell schon in Städten, satte 80 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung werden hier erbracht. Zu den derzeit 4,2 Milliarden Stadtbewohnern kommt nach Prognosen der Vereinten Nationen bis 2030 noch eine Milliarde hinzu, Junge und Alte, die zur Schule, ins Schwimmbad, zur Arbeit oder zum Arzt wollen, die mit Lebensmitteln, Kleidung oder Dienstleistungen versorgt werden müssen. Nur mit neuen, koordinierten Konzepten von Stadtplanern, Bauämtern, Mobilitätsdienstleistern und Industrie lässt sich diese wachsende Herausforderung meistern, kann der Verkehr fließen.

Die Weichen für die Zukunft der Mobilität werden in den Großstädten dieser Welt gestellt. Nirgendwo sonst sind die massiven und teuren Probleme durch Staus, Lärm, Luftverschmutzung und verfehlte Klimaziele dringender. Die Bürgermeister müssen neue, bessere Lebensräume schaffen. „Die Städte verwandeln Ideen in Handlungen“, sagt Seouls Bürgermeister Park Won-Soon, einer von mehr als 9.000 City-Chefs, die sich offiziell im Januar 2017 zum Global Covenant of ­Mayors for Climate & Energy vernetzt haben, um CO2-Emissionen zu reduzieren und Nachhaltigkeit zu fördern.

Stadt als Raum zum Leben

Es wird umgebaut. Architekt Jan Gehl hat das in Kopenhagen vorgemacht, wo Fußgänger und Radfahrer das Bild beherrschen. Neun von zehn Kopenhagenern fahren regelmäßig Rad, für 37 Prozent ist es das Transportmittel zur Arbeit, auf einem Wegenetz mit mehr als 1.000 Kilometern Länge, wo zwei Lastenräder bequem nebeneinander Platz haben. Der Däne plädiert für einen stark verbesserten öffentlichen Verkehr und seine feinmaschige Vernetzung. „Making Cities for People“ heißt die Devise des derzeit erfolgreichsten Stadtplaners der Welt, der in New York nicht nur den Times Square autofrei belebt hat. „Wie wollen wir leben?“ ist die Frage, die im Zentrum steht.

Die Stadt als Raum zum Leben. Das bedeutet mehr Platz für Fußgänger, Fahrradfahrer und Freizeit, mehr Grün, weniger Privatautos, weniger fossile Antriebe, mehr öffentlicher Nahverkehr. In Zukunft könnten autonome und elektrifizierte Lieferverkehre in die Nacht, unter die Erde oder mithilfe von Drohnen in die Luft verlegt werden. Deshalb finden in mehr als 70 Städten weltweit Tests zum autonomen Fahren statt. Darunter sind das bayerische Bad Birnbach mit knapp 6.000 Einwohnern ebenso wie Shenzhen in China mit etwa 13 Millionen Menschen, wo überdies schon rund 16.500 Elektrobusse im öffentlichen Einsatz sind. Die Stadt betreibt dafür 510 Busladestationen mit 8.000 Ladesäulen. Die gesamte Flotte wurde umgestellt. Das ist Weltrekord und verringert die CO2-Emissionen um 1,35 Millionen Tonnen pro Jahr. Aber auch Londons rote Doppeldecker sind seit 2016 vermehrt elektrisch unterwegs. Los Angeles Metro, mit einem der größten Nahverkehrsnetze der USA, will bis 2030 ihre insgesamt 2.200 Busse elektrifizieren und plant ein Investitionsbudget von einer Milliarde Dollar ein.

City Remake: Der Architekt Jan Gehl konzipierte das ehemalige Industriehafengelände von Stockholm so, dass ein optimales Verhältnis zwischen Wohn- und Verkehrsdichte herrscht. Foto: Gehl PeopleUrbane Konzepte: Fußläufigkeit war das Ziel der US-Architekten Adrian Smith und Gordon Gill, die in der Nähe von Chengdu die chinesische Modellstadt „Great City“ mit 80.000 Einwohnern so geplant haben, dass das Zentrum von jedem Punkt aus in zehn Minuten zu Fuß erreichbar ist. Foto: Adrian Smith + Gordon Gill Architecture LLPStädtischer Luftverkehr: In Neuseeland wird das senkrecht startende elektrische Luft-Taxi „Cora“ des US-Herstellers Kitty Hawk getestet. Foto: CORA KITTY HAWKLogistik von morgen: Das Schweizer Unternehmen Cargo Sous Terrain will den Stau auf den Straßen unterirdisch lösen. In einer Güterröhre sollen Waren unbemannt bis vor die Tore Zürichs gebracht und von da aus umweltfreundlich verteilt werden. Foto: CARGO SOUS TERRAIN AG

Überfüllte Highways sind in den USA vielfach auch einem Mangel an Alternativen geschuldet. Das könnte sich jetzt in Florida ändern. Die mit drei Milliarden Dollar privat finanzierte futuristische Schnellzugstrecke „Brightline“ verbindet seit Kurzem die Städte Miami, Fort Lauderdale und West Palm Beach und will Autofahrer mit Geschwindigkeit überzeugen. Als Wohlfühlfaktor stehen elegante Bahnhöfe und direkt daneben Parkhäuser bereit.

Mobilität wird insbesondere in den Smartphone-Gesellschaften hoch industrialisierter Städte zur Dienstleistung per Klick. „Transport as a Service“ heißt die Devise vor allem bei den unter 30-Jährigen, denn ein eigenes Auto ist kein Prestigeobjekt mehr. In den Megacitys aufstrebender Volkswirtschaften, in Brasilien, China oder Indien, wo es noch als begehrtes Statussymbol fungiert, sollen Vernetzung und intelligente Verkehrssteuerung helfen, Staus zu vermeiden, oder die Elektrifizierung dem Smog entgegenwirken. Die Reform der Mobilitätssysteme ist mehr denn je eine der zentralen Herausforderungen der Welt, betont eine Studie des Beratungsunternehmens ­Arthur D. Little vom April. Demnach haben von 100 untersuchten Städten weltweit nur Singapur, Stockholm, Amsterdam, Kopenhagen und Hongkong signifikante Schritte in die richtige Richtung unternommen. Bei vielen guten Ansätzen gibt es jedenfalls noch viel zu tun.

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