Unter Hochspannung
Neue Technologien wie das E-Auto verlangen nach neuen Kompetenzen. Im Bereich Hochvolt-Technik schulen Automobilhersteller ihre Mitarbeiter. Zahlreiche Zulieferer, Werkstätten und Fuhrpark-Verantwortliche setzen bei der Ausbildung zur Elektrofachkraft auf die Kompetenz von DEKRA.

Spannungsprüfung: Für bestimmte Arbeiten am Hochvolt-System ist Schutzausrüstung Pflicht. Foto: Honkphoto – Holger Kiefer
Während die Diskussionen um die Antriebstechnologien der Zukunft weltweit kontrovers geführt werden, steigen die Zulassungszahlen für Elektrofahrzeuge seit Jahren kontinuierlich. Allen voran: China mit über 1,2 Millionen verkauften Batterieelektro- (BEV) und Plug-in-Hybrid-Fahrzeugen (PHEV) allein 2018. Im ersten Halbjahr 2019 waren es bereits 628.000 E-Fahrzeuge. Die USA sind mit rund 150.000 Einheiten der zweitgrößte Markt für E-Fahrzeuge, gefolgt von Deutschland, Norwegen und Frankreich. Nach Angaben des Center of Automotive Management (CAM) waren Anfang 2019 weltweit insgesamt etwa 5,6 Millionen Pkw und leichte Nutzfahrzeuge zugelassen. Und der technologische Fortschritt dürfte diese Entwicklung weiter beflügeln. So hat Toyota die Branche mit neuen Forschungsergebnissen zur Festkörperbatterie aufhorchen lassen, die als leistungsstärker und langlebiger als die Lithium-Ionen-Batterie gilt. Toyota-Manager Shigeki Terashi verspricht bis 2025 die Produktion von mindestens 5,5 Millionen elektrifizierter Fahrzeuge – davon eine Million mit rein elektrischem Antrieb.
Im Wandel
Bei Volkswagen setzt man bei der Frage nach der Zukunft der Mobilität ebenfalls auf die Batterie. Der größte Autobauer der Welt vollzieht deshalb in seinem Werk in Zwickau einen rigorosen Wandel, den Reinhard de Vries, Geschäftsführer Technik und Logistik der Volkswagen Sachsen GmbH, als „die wohl größte Herausforderung in der Geschichte der Automobilindustrie“ bezeichnet. VW hat sich zum Ziel gesetzt, mit seinen ID.-Modellen – der neuesten BEV-Generation – den Platz des Marktführers zu besetzen. Wo heute Golf, Golf Variant und e-Golf produziert werden, soll ab Herbst 2019 der ID.3 vom Band rollen. Die Vorbestellphase für dieses erste ID.-Modell startete im Mai. Innerhalb weniger Tage waren laut Konzernangaben mehr als 30.000 Vorbestellungen eingegangen.

Für die Hochvolt-Technologie sind Spezialisten gefordert. Illustration: DEKRA
Insgesamt investiert VW in den Umbau auf seinen neuen „Modularen Elektrifizierungsbaukasten“ (MEB) rund 1,2 Milliarden Euro. „Auf der Basis des MEB wollen wir mit unseren Konzernmarken bis 2028 insgesamt 70 Batterie- und 30 Hybridmodelle an den Markt bringen“, erklärt de Vries. Der MEB spielt auch die Schlüsselrolle bei der im Juli bekannt gegebenen Allianz zwischen Volkswagen und Ford. Die von VW entwickelte Elektroplattform wird damit auch Herstellern außerhalb des VW-Konzerns zugängig gemacht und könnte so zum Industriestandard werden. Ford will den „Modularen E-Antriebs-Baukasten“ für die Entwicklung weiterer Modelle nutzen. Außerdem beteiligt sich Volkswagen mit 900 Millionen Euro am schwedischen Batteriehersteller Northvolt. Das Ziel dieses Joint Ventures ist ein VW-eigenes Werk für Batterien.
Um alle Mitarbeiter auf die Produktion der elektrifizierten Autos vorzubereiten, nimmt Volkswagen mehr als 15 Millionen Euro in die Hand. So werden die 8.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Zwickau durch spezielle Trainings mit den Besonderheiten des elektrisch angetriebenen Fahrens vertraut gemacht. Annähernd 1.500 Werksangehörige werden seit vergangenem Jahr zu Fachkräften für Hochvolt-Technik ausgebildet. Denn für diese Technologie sind Spezialisten gefordert. Und die sind zurzeit noch rar gesät und auf dem internationalen Markt deshalb auch stark nachgefragt.
Wer diese Fachleute nicht hat, muss schlimmstenfalls mit Stillstand rechnen. Denn die Verordnungen rund um die Arbeit mit Hochvolt-Fahrzeugen sind europaweit streng geregelt. Mit unterschiedlichen Qualifizierungsstufen sollen Mitarbeiter und letztlich auch Arbeitgeber geschützt werden. In Deutschland wacht die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) über die Einhaltung der Verordnungen. Demnach dürfen nur zertifizierte Elektrofachkräfte Arbeiten an Kraftfahrzeugen mit Hochvolt-Systemen durchführen, leiten oder beaufsichtigen. Entsprechend hoch ist der Druck auf die Automobilindustrie, die geforderten Fachkräfte bereitzustellen. Selbst Reinigungskräfte im Umfeld von Hochvolt-Fahrzeugen müssen für den Umgang mit dieser Technologie geschult sein.
Internes Know-how
Auch andere Automobilhersteller haben das Thema Hochvolt-Technologie im Blick. „Hochvolt ist in unsere Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker seit fast zehn Jahren fest integriert. Die Auszubildenden werden in über 130 Stunden zur Fachkraft für Hochvolt-Systeme in Kraftfahrzeugen qualifiziert. Dazu kommen interne und externe Schulungs- und Weiterbildungsangebote“, erklärt Oliver Wihofszki aus dem Bereich Human Resources and External Affairs bei Daimler in Stuttgart. Für die Elektromobilität baut auch Audi auf internes Know-how. „Im Vorjahr wurden im Audi-Konzern rund 8.000 Schulungen im Bereich Elektromobilität durchgeführt“, sagt Daniela Henger, Pressesprecherin Personal und Organisation. Dafür wurde in Ingolstadt das Weiterbildungsbudget in diesem Jahr um ein Drittel auf 80 Millionen Euro aufgestockt. „Wir passen unsere Ausbildungs- und Qualifizierungskonzepte dem technologischen Fortschritt laufend an und entwickeln bei Bedarf neue Berufsbilder.“
DEKRA Schulung Hochvolt-Systeme im Kfz
Vier Unterrichtseinheiten im Selbststudium (Web Based Training)
• Allgemeine Tätigkeiten ohne Spannungsfreischaltung des Hochvolt-Systems (HV)
• Unzulässige Arbeiten am Fahrzeug
• Elektrische Gefährdungen und Erste Hilfe
• Grundlagen E-Technik
• Eingangsprüfung
Acht Unterrichtseinheiten im Präsenzunterricht mit Praxisteil
• HV-Konzept und Fahrzeugtechnik
• Elektrische Anlagen und Betriebsmittel
• Schutzmaßnahmen gegen Körperdurchströmung und Störlichtbögen
• HV-System spannungsfrei schalten und sichern
• Spannungsfreiheit feststellen
Blended-Learning-Konzept
Während die oben erwähnten Automobilhersteller auf eigene Ausbildungskapazitäten vertrauen, gehen Zulieferer, Werkstätten und Start-ups einen anderen Weg und decken ihren wachsenden Bedarf an Hochvolt-Experten in der Regel über externe Zertifizierungsmaßnahmen. Ein kompetenter Ansprechpartner ist hier DEKRA. Die international agierende Expertenorganisation bietet ihren Kunden für die Hochvolt-Schulungen ein sogenanntes Blended-Learning-Konzept an, das die geforderte Ausbildung zur Elektrofachkraft in zwei Teile gliedert. Boris Gausmann, DEKRA Experte für Hochvolt-Technologie, und sein Kollege Benno Rauhut schulen und trainieren bundesweit Fachkräfte in der Arbeit mit Elektrofahrzeugen. Zu den Kunden gehören Automobilzulieferer oder auch Verkehrsbetriebe, die E-Busse einsetzen. Die Hochvolt-Expertise von DEKRA ist auch im Bereich der Ladelogistik und -infrastruktur gefragt. So etwa beim niederländischen Unternehmen Allego, einem führenden Anbieter für Ladelösungen.
„Insbesondere im Bereich der Maschine-Mensch-Kommunikation muss man Bedienungsfehler vermeiden und den Blick auf Gefahrensituationen im Umfeld von Hochvolt-Fahrzeugen schärfen“, erklärt Gausmann einen der Schwerpunkte der ersten Ausbildungsphase. Darin können die Unternehmen ihre Mitarbeiter webbasiert von DEKRA Fachleuten schulen lassen. Die erlernten Grundlagen der E-Technik werden dann in einer Prüfung abgefragt und sind Voraussetzung für die Zulassung zu einem anschließenden eintägigen Präsenzunterricht. In Theorie und Praxis geht es dann um das Hochvolt-Konzept und die Fahrzeugtechnik. Gelehrt werden zudem Schutzmaßnahmen gegen elektrische Körperdurchströmungen. Diese können dann entstehen, wenn etwa mit nicht isoliertem Werkzeug eine unter Spannung stehende Anlage berührt wird oder auch notwendige Schutzabstände nicht eingehalten werden. „Die Gefahr ist dabei nur sehr schwer einschätzbar. Denn Strom kann man leider weder hören, sehen noch riechen“, sagt Boris Gausmann. Eine große Gefahr für den Techniker könne auch von sogenannten Störlichtbögen ausgehen, also elektrischen Gasentladungen zwischen zwei Elektroden, die durch eine Störung verursacht werden. Sicher könne man nur sein, wenn das Hochvolt-System spannungsfrei geschaltet sei. Die Befähigung zum Umgang mit Hochvolt-Komponenten bestätigt ein DEKRA Zertifikat.
Unfälle verhindern
Die Kursangebote sind sehr gut gebucht. Ein Indiz für die hohe Qualität der Weiterbildung an der DEKRA Akademie, die für die Zertifizierungen verantwortlich zeichnet. „Und ein Indiz dafür, dass die Industrie diese Unterstützung sehr gerne annimmt“, sagt Boris Gausmann. „Wir sensibilisieren unsere Seminarteilnehmer für die Gefahren der Hochvolt-Technologie, um mögliche Unfälle zu verhindern. Bei Spannungen von 700 Volt und mehr ist absolute Sorgsamkeit gefragt. Ein kleiner Fehler kann fatale Folgen für Leib und Leben haben. Unsere Aufgabe ist es, Ängste zu nehmen und Nachlässigkeiten zu verhindern. Dann bleibt die Arbeit mit den Hochvolt-Systemen spannend und sicher beherrschbar.“

Foto: Honkphoto Holger Kiefer
Boris Gausmann
DEKRA Qualification GmbH
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Tel: +49 711 7861-3669
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