Gütertransport der Zukunft: In die Luft und in die Röhre gehen

Author: Frank Hausmann

29. Juni 2022

Mit futuristischen Transportkonzepten versuchen drei Vordenker-Unternehmen den drohenden Verkehrskollaps in vielen Ballungszentren zu lösen. Wie bei Jules Verne geht es dafür sogar in die Luft und unter die Erde. Science-Fiction ist es aber nicht.

Jules Verne war mit seinen Reisegeschichten der Zeit oft weit voraus. Vieles, was sich der französische Schriftsteller im 19. Jahrhundert in seinen Romanen ausdachte, wurde später Realität. So könnten auch die drei visionären Verkehrsprojekte der heutigen Zeit, die auf den ersten Blick nach reiner Utopie klingen, aus seiner Feder stammen. Doch mit Volodrone, Cargo Sous Terrain und Hyperloop gehen die Macher sogar einen Schritt weiter und arbeiten eifrig an der Umsetzung.
Volodrone – die elektrische Schwerlastdrohne
Für Furore sorgte die Volodrone, die 2021 in Hamburg in die Luft stieg und ihren Jungfernflug vor Publikum auf dem ITS World Congress absolvierte. Hinter der Volodrone steckt eine elektrische Schwerlastdrohne, die unbemannt ISO-Paletten mit einem Gewicht von bis zu 200 Kilogramm maximal 40 Kilometer weit tragen kann. Die Frachtdrohne besitzt 18 Rotoren, hat einen Durchmesser von 9,15 Meter und ist 2,15 Meter hoch. Ihr maximales Startgewicht liegt bei 600 Kilo. Der erste öffentliche Testflug im Hafen der Hansestadt dauerte rund drei Minuten und erreichte eine Flughöhe von 22 Metern.
Um das Fluggerät nahtlos in die Logistikkette einbinden zu können, haben die Ingenieure/-innen der Volocopter GmbH mit Sitz in Bruchsal die Lastendrohne mit einer Ladebox zwischen dem Ladegestell bestückt. Darin lässt sich Ladung in der Größe einer Europalette verstauen. Der Zielort kann ein Verteilzentrum am Stadtrand sein, von dem aus kleine E-Mobile oder Lastenräder die Ware nach der Landung übernehmen und emissionsfrei zum endgültigen Empfänger bringen.
CST geht unter die Erde
Eine ganz andere Idee für den alternativen Warentransport verfolgt das schweizerische Projekt „Cargo Sous Terrain“ (CST): CST geht nicht in die Luft, sondern unter die Erde. Die unterirdische Cargo-Bahn soll 2045 fertig und in der Endausbaustufe rund 500 Kilometer lang sein. Das geplante Gesamtnetz von CST soll von Genf bis nach St. Gallen und von Basel nach Luzern reichen. Zudem soll es eine Strecke von Bern nach Thun geben. Die Gesamtkosten für den Bau belaufen sich Schätzungen zufolge auf 30 bis 35 Milliarden Euro. Damit soll in 30 bis 80 Meter Tiefe ein Tunnelsystem mit etwa sechs Meter Durchmesser gegraben werden. Dreispurig ausgeführt, verkehren dort fahrerlose, elektrisch angetriebene Tunnelwagen auf eigenen Fahrspuren. Gleise müssen nicht verlegt werden.
Die Transporteinheiten mit Platz für zwei Europaletten bewegen sich rund um die Uhr mit etwa 30 km/h im Untergrund und sind über Induktionsschleifen im Boden verbunden. Darüber sollen die Wagen ihre verbauten Akkus während der Fahrt aufladen, um zeitweise autark voranzukommen. Zur Steuerung der Wagen käme dann eine Art unterirdisches GPS zum Tragen. Je Richtung soll es eine Fahrspur geben. Die zentrale Servicespur ist für Reparaturen, zum Ausweichen von defekten Rollwagen oder zur kurzfristigen Zwischenlagerung von Gütern reserviert.
Auf der Strecke soll es mehrere multifunktionale City-Hubs zum Ein- und Ausladen der Waren geben. Dort kommen die Wagen vollautomatisch per Lift an die Erdoberfläche. Hier werden die Güter IT-gestützt und automatisch für die Feinverteilung nach Warenladungen gebündelt und auf elektrisch betriebene Lastenräder, Transporter oder Leicht-Lkw für die letzte Meile umgeladen. Die Betreibergesellschaft rechnet damit, dass nach komplettem CST-Ausbau 40 Prozent des Lkw-Verkehrs zwischen Genf und St. Gallen sowie Basel und Luzern eingespart werden kann.
Magnetschwebetechnik mit 600 km/h
Geht es nach der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA), schießt ihr Projekt Hyperloop schon bald große Überseecontainer im Minutentakt per Magnetschwebetechnik mit 600 km/h durch eine Vakuumröhre Hunderte von Kilometern weit. Ähnlich wie bei der Rohrpost sollen mit Containern bestückte Transportkapseln reibungslos fast mit Schallgeschwindigkeit durch die fast luftleeren Transportröhren sausen. Die Betonröhren könnten mit Solarzellen bestückt sein und die Energie für das Schweben der pfeilförmigen Kurzzüge sowie ihren rasanten Vortrieb liefern.
Der Containerumschlag erfolgt im sogenannten Hyperport. Berechnungen zufolge könnten ihn 1.400 Seecontainer am Tag schnell, sicher und umweltschonend verlassen und genauso viele in einer zweiten Röhre dort ankommen. Dazu müssen die zylindrischen Transportkapseln nacheinander an die Verladestation herangeführt werden. Ein Kran setzt die Container über Dachluken im Laderaum der Kapseln ab. Die Luken schließen sich, elektrische Energie treibt Linearmotoren an. Die Transportkapseln schießen alle 60 Sekunden mit hohem Tempo durch den Vakuum-Tunnel. Für den Start der stromlinienförmigen Kapsel im Hyperloop wird nicht mehr Strom gebraucht als für das Einschalten einer Glühlampe, wollen Elektroingenieure berechnet haben.
Doch mit einer kommerziell nutzbaren Realisierung von Hyperloop-Strecken ist laut Frank Busse, Projektleiter HyperPort bei der HHLA, frühestens in 10 bis 15 Jahren zu rechnen. Bisher gibt es nur einen Virtual-Reality-Demonstrator, der spektakulär zeigt, wie mit Hilfe von Hyperloop Container im Seehafen-Hinterlandverkehr umgeschlagen und transportiert werden. Nach drei Jahren intensiver Forschung und Entwicklung sucht die HHLA nun potenzielle Partner für den Bau und Betrieb einer Teststrecke. Die würde sich in fünf Jahren realisieren lassen und bestenfalls mehr als drei Kilometer lang sein. Für die kommerzielle Nutzung seien nach Angaben von HHLA Entfernungen von mindestens 300 bis 400 Kilometern sinnvoll. Dann könnten Häfen mit anderen Ballungszentren verbunden werden, von denen aus Lastwagen, Güterzüge und Binnenschiffe die Container übernehmen. Im Hafengebiet würde die Umschlags- und Lagerkapazität steigen.