Mit Absturzsicherung oben bleiben
Die Kletterausrüstung der BORNACK Gruppe muss ausreichend Absturzsicherung bieten. Getestet wird das an Testdummys, die unzählige Abstürze überstehen müssen.
Nicolai Stickdorn ist beeindruckt. Der 32-jährige DEKRA Prüfingenieur ist Experte für Persönliche Schutzausrüstungen (PSA) gegen Absturz und hat soeben das HOCHWERK der Firma BORNACK im schwäbischen Marbach betreten. Die 90 Meter lange dreischiffige Halle ist das Paradebeispiel einer Industriekathedrale. Das Kesselhaus eines ehemaligen Dampfkraftwerks steht unter Denkmalschutz. 1981 endete der Dauerbetrieb, heute nutzt die BORNACK Gruppe den eindrucksvollen Bau für witterungsunabhängige Ausbildung und Training im Bereich Absturzsicherung.
Im HOCHWERK finden regelmäßige Rettungstrainings statt
Stickdorn lässt den Blick schweifen, entdeckt den waschechten Polizeihubschrauber, sauber eingeparkt zwischen zwei Geschossdecken. Eine Etage höher liegt die Kabine eines weiteren Helikopters. Einsatzkräfte können hier unter realitätsnahen Bedingungen Rettungssituationen mit dem Hubschrauber trainieren. Gegenüber in knapp 35 Meter lichter Höhe klettert eine Gruppe von Personen an Spezialleitern, um sich mit Steigschutzausrüstung vertraut zu machen. Das erkennt Stickdorn als Sachverständiger schon von Weitem. Eine andere Gruppe hängt buchstäblich in den Seilen zwischen zwei Etagen. Sie üben, eine verunglückte Person über ein Seilsystem zu retten.
Solche Trainings finden hier regelmäßig statt, denn an exponierten Arbeitsplätzen wie etwa dem Generatorhaus einer Windkraftanlage sind es immer die Kollegen, die im Notfall als Erste fachgerecht Hilfe leisten müssen. Zu der Gruppe gehört auch Ulrich Schwarz, Projektingenieur bei Vodafone. Um das Mobilfunknetz auf dem neuesten Stand zu halten und weiter auszubauen, müssen er und seine Kollegen häufig auf Masten und Dächer steigen. „Wir sind einmal im Jahr hier und frischen unsere Kenntnisse in Sachen Retten von Leitern und Plattformen auf“, sagt er.
Angst haben die Männer bei ihrer Arbeit nicht, „aber man muss sich bewusst machen, was passieren könnte und die Regeln einhalten“, ergänzt der erfahrene Ingenieur. Fast sein halbes Leben ist der 51-Jährige schon „dabei“ und lobt spontan den Stand der Technik bei der Absturzsicherung. Gegenüber seinen Anfangsjahren seien die Gurtsysteme viel komfortabler beim Steigen geworden, „man kann viel mehr damit tun und ich fühle mich absolut sicher damit“. Ein schönes Feedback für mehr als 50 Jahre kontinuierliche Entwicklung.
„Mit DEKRA EXAM haben wir einen flexiblen und kompetenten Partner an der Seite.“
In diesem Zeitraum ist die BORNACK Gruppe zu einem der führenden Anbieter von Produkten der Absturzsicherung gewachsen. Schon 1964 brachte der Hersteller mit dem weltweit ersten Seilkürzer ein wirksames Mittel auf den Markt, das den harten Fangstoß beim Sturz in die Sicherungsleine abmildert. Heute gibt es dafür gleich mehrere Produktreihen an Falldämpfern. Mit den Sparten FALLSTOP SAFETY und FALLSTOP RESCUE, sprich Sicherungs- und Rettungsausrüstung, bedient das Unternehmen gewerbliche Kletterer und Rettungskräfte, FALLSTOP ADVENTURE kümmert sich um die Belange von Freizeiteinrichtungen wie Kletterparks und das Tochterunternehmen SAFEPOINT hat sich auf Sicherungsanlagen an Gebäuden spezialisiert.
Falltest mit einem 100 Kilogramm schweren Torso
Mit einer Vielzahl hochspezialisierter Produkte erhöht BORNACK auch die Sicherheit von Personen, die in Kesseln oder Schächten arbeiten. Selbstverständlich werden lebenswichtige Ausrüstungen genau geprüft, bis sie ihre Zulassung erhalten. Dabei setzt BORNACK schon lange auf die Zusammenarbeit mit DEKRA EXAM. Die Experten zertifizieren die Produkte und sind oft schon in der Entwicklungsphase mit Prüf-Know-how gefragt. Manches testen die Sachverständigen im eigenen Laboratorium in Bochum, aber auch bei BORNACK im HOCHWERK haben die Ingenieure die geeigneten Voraussetzungen, ihren Job zu machen.
Nicolai Stickdorn erkennt dies auf einen Blick: „Überwältigend, welche Möglichkeiten man hier hat!“ Heute wird er mit einem Auffanggurt und einem 100 Kilogramm schweren Torso einen Falltest durchführen. Zusammen mit Matthias Schäfgen befestigt er die schwere Testpuppe an einem Kran und schwenkt ihn über einen zehn Meter tiefen Schacht. Schäfgen ist angehender Maschinenbauingenieur und schreibt gerade seine Masterarbeit zum Thema Prüfsituationen und unterschiedliche Einflüsse auf die Normprüfung bei Bandfalldämpfern und Gurten. Auch er durfte hier viele Versuche ausführen und lernte dabei, die Messdaten zu interpretieren.
Inzwischen schwebt der blaue Torso völlig ruhig über dem Schacht. An der Auffangöse des Gurtes ist das Sicherungsseil befestigt. Dann öffnet sich per Druckluft die Halterung und der Torso saust in die Tiefe, aber schon nach gut vier Metern stoppt das Seil den Sturz und der Torso tanzt wild zuckend wieder ein Stück nach oben, schließlich hängt er schön gerade im Seil, Kopf oben – wenn er denn einen hätte. Mit schweren Verletzungen wäre hier nicht zu rechnen, obwohl bei der Normprüfung ein Extremfall mit hartem Fangstoß simuliert wird. Stickdorn begutachtet nun das Nahtbild der Haupt- und Sekundärgurte. Es ist erwartungsgemäß im Bestzustand.
Profis erklimmen mit einem Gurt den 150 Meter hohen Kraftwerkskamin
Ein besonderes Detail ist der integrierte RFID-Chip im Hauptgurt. Er trägt sämtliche Informationen von der genauen Typbezeichnung, der Fertigungscharge bis zur Seriennummer und lässt sich bei den jährlich vorgeschriebenen Sicherheitsüberprüfungen schnell auslesen. Mit einem solchen Gurt könnten Profis angstfrei auch den 150 Meter hohen Kraftwerkskamin erklimmen, der hier zum Ausbildungsgelände gehört. Auch Firmenchef Klaus Bornack ist heute vor Ort. In einem der verglasten Container, die das Unternehmen futuristisch in die Halle integriert hat, hält er ein Fachseminar zum Thema Hängetrauma ab. Diese Notlage kann bei einem Sturz in ein Seil passieren und dann müssen die Kollegen wissen, was zu tun ist. Komplett eingegurtet steht der engagierte Unternehmer vor seinem Publikum, das aus Sicherheitsingenieuren, Feuerwehrleuten und Fachkräften der Energieversorger sowie Personen, die in Hochregallagern arbeiten, besteht.
Über den DEKRA Besuch freut er sich, denn „wir arbeiten sehr gut zusammen. Die Sachverständigen zeichnen sich durch Kreativität und Flexibilität aus. Das passt perfekt zu unseren Abläufen und zu unseren Ansprüchen. So entwickeln wir ohne unnötige Verkomplizierung innovative Produkte. Mir gefällt auch die hohe Professionalität, welche die DEKRA Mitarbeiter bei Sonderprojekten an den Tag legen“, so der Firmeninhaber. Ein Vertrauen, das ganz auf Gegenseitigkeit beruht, denn kürzlich traten bei BORNACK 300 Ingenieure der DEKRA Automobil GmbH zur Schulung an. Auch sie müssen immer wieder mit PSA umgehen und waren begeistert über die motivierende und gründliche Weiterbildung. Damit wurde der Dienstleister auch zum Kunden. Das gemeinsame Streben nach Sicherheit verbindet eben.
Drei Fragen an Dirk Wessels
Welche Rolle spielt DEKRA EXAM bei der PSA (Persönliche Schutzausrüstung)?
Wir sind eine Benannte Stelle der EU für die Prüfung und Zertifizierung von Persönlicher Schutzausrüstung gemäß der PSA-Richtlinie. Neben der PSA gegen Absturz prüfen wir auch Atemschutzgeräte für Feuerwehren und Schutzkleidung. Unsere Ingenieure schaffen also Sicherheit an Arbeitsplätzen, wo PSA Leib und Leben schützt.
Wo passt da der heutige Fallversuch hinein?
Er gehört zum EG-Konformitätsbewertungsverfahren, damit das Produkt sein CE-Zeichen erhält. Ab 2017 ändert sich das, dann gibt es die EU-Baumusterprüfbescheinigung, die sich nach der dann gültigen PSA-Verordnung richtet.
Stichwort Zukunft, wird auch hier die digitale Revolution Einzug halten?
Den RFID-Chip am Gurt haben Sie ja heute gesehen. Je nach Anforderung wäre hier womöglich auch noch Sensorik denkbar, die gewisse Dinge misst und weiterfunkt. Im Feuerwehrbereich gibt es bereits Schutzausrüstungen, die den Atemluftvorrat an die Einsatzleitung senden. Das Thema ist also schon da.
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Was für ein Theater!
Als Theater-Profi übernimmt Felix Malkowski mit Vorliebe tragende Rollen auf der Bühne. Applaus aus Rängen und Parkett darf er dafür allerdings nicht erwarten. Sein Part ist die Sicherheit der Veranstaltungstechnik – dazu nimmt der DEKRA Experte meistens gleich das ganze Theater in Beschlag. Aktuell steht ein Engagement bei den Münchner Kammerspielen auf dem Dienstplan.