Keinen Staub aufwirbeln
Saubere Luft in den Städten wäre eine feine Sache. In Stuttgart rücken Forscher, Techniker und Tüftler dem Feinstaub rigoros zu Leibe. Was ist im Kampf gegen dicke Luft das probate Mittel?

Das Stuttgarter Bauunternehmen Züblin erforscht mit einem modularen Wandsystem, ob Moose genügend Feinstaub binden. Foto: Ed. Züblin AG
Schwaben können bis auf Hochdeutsch bekanntlich alles. Neuerdings zählt auch das Feinstaubmanagement zu den besonderen Fähigkeiten, die sich die Landsleute aus dem Süden gerne zuschreiben. Die perfekte Referenz dafür ist die Landeshauptstadt Stuttgart. Sie hat es im letzten Jahr geschafft, einen der am stärksten durch Feinstaub belasteten Hotspots in Deutschland am Neckartor so weit zu entschärfen, dass die Tagesmittelwerte im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen lagen. Haben die Schwaben also den Königsweg gefunden, um der dicken Luft zumindest den Feinstaub zu entziehen? Umweltzonen, Fahrverbote, Elektroautos im städtischen Fuhrpark und Öko-Tickets für Bus und Bahn gibt‘s natürlich auch anderswo. In Stuttgart kommt ein Bündel von Maßnahmen zum Einsatz, das klassische Methoden und schwäbisches Tüftlertum kombiniert.
Wenn das Wetter nicht mitspielt, kommt der Feinstaubalarm
Der Feinstaubalarm zum Beispiel geht in diese Richtung. Wenn in der Feinstaubperiode von Mitte Oktober bis Mitte April der Deutsche Wetterdienst an mindestens zwei aufeinanderfolgenden Tagen ein eingeschränktes Austauschvermögen der Atmosphäre vorhersagt, löst die Stadt Feinstaubalarm aus. Der geht dann mit einem Appell zum Verzicht aufs Auto und einem Verbot von Komfortkaminen einher. In dieser Periode hat auch die im Ländle typische Kehrwoche am Neckartor Konjunktur. Koordiniert von DEKRA, schwärmen in den Nächten von Sonntag bis Freitag Kehrmaschinen aus, um durch die intensive Reinigung der Straße das Streugut und die vergleichsweise groben Reifen- und Bremspartikel zu beseitigen, bevor daraus Feinstaub entstehen kann.
Moospflanzen und Hightech-Filter binden Feinstaub aus der Luft
Auch Moospflanzen zieht die Schwabenmetropole als Problemlöser in Betracht. Forscher haben herausgefunden, dass Moose nicht nur Stickoxide binden, sondern auch den ebenso problematischen Feinstaub. Zwar haben im letzten Jahr Versuche mit verschiedenen Moosarten an einer rund 300 Quadratmeter großen Mooswand am Neckartor gezeigt, dass Hitze und Salz diesem speziellen Vermögen abträglich sind. Das Stuttgarter Bauunternehmen Züblin nimmt jetzt im Rahmen des Forschungsprojekts „MoosTex“ mit einem modularen Wandsystem einen neuen Anlauf. Mit einem eher technologischen Pilotprojekt unter dem Label „Feinstaubfresser“ engagiert sich der Filterhersteller Mann + Hummel am Neckartor. Die Ludwigsburger installieren derzeit 17 Filtersäulen an einem rund 350 Meter langen Straßenabschnitt. Die Säulen sind 3,60 Meter hoch und setzen sich aus würfelförmigen Bauteilen mit Feinstaubpartikelfiltern und Ventilatoren zusammen. Die Anlagen sollen 80 Prozent des Feinstaubs aus der Umgebungsluft ziehen.
Mit dem richtigen Filter wird das Auto zum Feinstaubfresser
Auch eine mobile Variante mit verschiedenen Filtersystemen hat der Automobilzulieferer aus Ludwigsburg auf die Räder gestellt. Ähnlich wie die Kuben an der Straße soll das Fahrzeug der Luft Feinstaub entziehen. Besonders interessant ist ein Bremsstaubpartikelfilter an der Bremsanlage. Das System greift den Bremsstaub gewissermaßen an der Quelle ab und verhindert dadurch die Abgabe an die Umgebung. Wenn sich das System in Stuttgart bewährt, könnte dem Bremsstaubfilter eine Karriere in der Autoindustrie bevorstehen. Die Deutsche Post DHL Group jedenfalls ist im Rahmen eines Feldversuchs bereits mit einer Handvoll StreetScooter unterwegs, die mit diesen Filter an Bord zum nahezu emissionsneutralen Elektrofahrzeug avancieren.
Wie skurril können Ideen gegen den Feinstaub eigentlich sein?
Letztlich geht es in der Schwabenmetropole darum, wie sich Grenzwertüberschreitungen von Feinstaub an Hotspots zuverlässig verhindern lassen. In Delhi dagegen, der Hauptstadt Indiens, hat das Feinstaubproblem längst eine ganz andere Dimension. Die Weltgesundheitsorganisation hat die Megastadt im letzten Jahr zur weltweit am stärksten belasteten Stadt erklärt. Ideen gegen Feinstaub sind dort wohlfeil – auch wenn sie auf den ersten Blick skurril anmuten. Sie reichen von Partikelfiltern für die Nasenlöcher über mobile Wasserkanonen auf Tiefladern, um die feuchten Partikel auf diese Weise am Boden zu halten. Gewisse Erfolge zur Verdrängung der Feinstaubpartikel hat man wohl mit elektromagnetischen Wellen erzielt, wie sie für GPS und Wettersonden zum Einsatz kommen. Ein Knaller ist die Idee eines indischen Unternehmers, der aus Rußpartikeln in Dieselabgasen flüssige Tinte herstellen will, um die Luftverschmutzung zu verringern. Gut möglich also, dass in Indien irgendwann auch schwäbische Tüftler mit Moospflanzen, Filtersäulen und Feinstaubalarm zum Zuge kommen.
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