Straßengüterverkehr: Welcher Antrieb darf’s denn sein?
Erdgas, Strom, Wasserstoff oder doch Biokraftstoffe – welcher Energieträger macht das Rennen? Solange diese Frage nicht geklärt ist, fehlt Lkw-Flottenbetreibern die Investitionssicherheit. Führende Verbände des Transportgewerbes fordern daher von der Politik eine verbindliche Roadmap. Doch wie könnte die aussehen?

Schwere Lkw sollen nach den Regeln der EU bis 2025 15 Prozent und bis 2030 30 Prozent weniger CO2 ausstoßen. Foto: Shutterstock – Elnur
„Die europäische Politik muss Rahmenbedingungen festlegen und die Energiequellen für den Straßenverkehr der Zukunft definieren, um allen Beteiligten ein verlässliches Signal für künftige Investitionen zu geben“, appellierten mehrere nationale Branchenverbände, allen voran der Bundesverband Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL), Mitte des Jahres an die EU. Nur dann gebe es Planungssicherheit. Gerade die Betreiber von Transportflotten suchen nach Hinweisen, in welche Antriebslösungen sie investieren sollen, während die Fahrzeugindustrie unterschiedliche Antriebslösungen forciert. Während der eine Erdgasantriebe – sei es CNG (gasförmiges Methan) oder LNG (verflüssigtes Methan) – vorantreibt, schwören andere auf unterschiedliche, rein elektrische Lösungen.
Technologieoffenheit versus Investitionssicherheit

CNG- und LNG-Lkw werden bei der Maut bis 2023 finanziell bevorzugt. Foto: Rolande
Angesichts dieser Vielfalt und der hohen Investitionskosten ist die Forderung nach einer verbindlichen Roadmap verständlich. Doch ein solcher Fahrplan steht der Forderung nach Technologieoffenheit, den beispielsweise der europäische Dachverband der Automobilindustrie (ACEA) und das überparteiische Expertengremium Nationale Plattform Zukunft der Mobilität (NPM) vertreten, gegenüber. „Sowohl E-Mobilität, Brennstoffzellenantriebe als auch synthetische Kraftstoffe ermöglichen im Straßengüterverkehr eine CO2-neutrale Mobilität. Wobei die Anwendungsspektren im Straßengüterverkehr sehr vielfältig sind, von den KEP-Diensten bis hin zum transeuropäischen Schwerlastverkehr. Flottenbetreiber werden nicht umhinkommen sich mit den einzelnen Technologien zu beschäftigen und mit ihren eigenen Anforderungen abzugleichen – sei es hinsichtlich der Kosten, Marktreife, Verfügbarkeit und Reichweitenanforderungen sowie Lade- und Tankmöglichkeiten, aber auch hinsichtlich geltender Förderinstrumente und der Entwicklung des regulatorischen Rahmens“, erklärt Prof. Dr. Henning Kagermann, Vorsitzender der NPM.
CO2-Gesetzgebung gibt Rahmenbedingungen vor
Doch es gibt bereits EU-weite Regeln. Wer diese zwischen den Zeilen liest, kann daraus seine Beschaffungsstrategie ableiten. So hat die EU im vergangenen Jahr CO2-Grenzwerte für schwere Nutzfahrzeuge beschlossen. Demnach sollen schwere Lkw bis 2025 15 Prozent und bis 2030 30 Prozent weniger CO2 ausstoßen, verglichen mit dem Referenzjahr 2019. Gemessen wird die Tank-to-wheel-Bilanz, jedoch nicht die CO2-Bilanz für die Bereitstellung eines Energieträgers und für die Produktion eines entsprechenden Fahrzeugs. Ermittelt wird der Verbrauch eines Lkw mit dem Simulationstool Vecto. Die Berechnung des Flottenverbrauchs einer Lkw-Marke erfolgt dann entsprechend dem Absatzmix. Bei Überschreitung der Grenzwerte drohen der Industrie schmerzhafte Geldbußen. Die Fahrzeughersteller können sich aber unter anderem mit dem Verkauf von Zero-Emission-Trucks sogenannte Supercredits gutschreiben lassen. Voraussetzung dafür ist, dass diese Modelle einen Anteil von mindestens zwei Prozent am gesamten Absatz ausmachen.
Art und Weise der CO2-Bilanzierung spricht für E-Lkw

Vor 2021/22 wird es keine rein elektrische Großserienlösung geben. Foto: Daimler
Diese CO2-Bilanzierung spricht dafür, dass jenseits 2025 rein elektrisch angetriebene und damit lokal CO2-freie Antriebe das Rennen machen und synthetische Kraftstoffe keine Rolle spielen. Die CO2-Ersparnis von Erdgasantrieben fällt mit um die zehn Prozent Einsparung zu gering aus, um das erforderliche Flottenziel zu erreichen. Die Revision der CO2-Grenzwerte im Jahr 2025 könnte noch ambitioniertere Ziele ergeben. Je strenger die Ziele ausfallen, desto größer wird die Bedeutung der Supercredits und von Zero-Emission-Fahrzeugen.
Die Krux: Vor 2021/22 wird es keine rein elektrische Großserienlösung geben – weder für den Verteiler – noch für den Fernverkehr. Ab dem kommenden Jahr will die Industrie nach und nach lieferfähig sein. Lkw mit LNG oder CNG-Antrieb sind indes nur so lange attraktiv, wie die finanzielle Bevorzugung bei der Maut (aktuell bis 2023) bestehen bleibt, und sie im Fernverkehr die einzig technologische Alternative zum Diesel sind. Erste Lkw mit einer Brennstoffzelle als Energielieferant befinden sich bereits im Testbetrieb. Sollten sie sich als ausgereift erweisen, ist es eine Frage des Preises, bis sie LNG-Fahrzeugen den Rang ablaufen.
Gas-Lkw sind eine Brückenlösung, die Zukunft gehört Brennstoffzellen-Lkw
Im Verteilerverkehr wiederum können ab 2021 batterieelektrische Lkw eine Alternative sein. Auch das hängt maßgeblich davon ab, auf welchem Niveau sich die Preise bilden und ob mit den Fahrzeugen ein Geschäftsmodell verknüpft ist, etwa die Belieferung von Sonderemissionszonen. Diese Sicht bestätigt auch Prof. Dr. Dirk Engelhardt, Vorstandssprecher des BGL: „Mittel- bis langfristig sehen wir für den Fernverkehr den Brennstoffzellenantrieb als wahrscheinlichste Lösung. Im Nah- und Regionalverkehr sollte der batteriegetriebene Lkw überzeugen.“ Für die Übergangsphase müsse man Erdgasfahrzeuge und e-Fuels verwenden, um die CO2-Emissionen zu senken. Jedoch müsse die Kraftstoffinfrastruktur der Fahrzeugtechnik immer einen Schritt voraus sein.