China kämpft gegen den Smog
In China kämpfen die MegaCitys um ihre Luftqualität. Verkehrsbeschränkungen und alternative Antriebe sollen helfen, die Lebensqualität zu verbessern und Smog zu verringern. Gleichzeitig etabliert sich China als Nummer-eins-Markt für alternative Antriebstechnologien.
Smogalarm in Peking. Die Sicht reicht nicht bis zur nächsten Straßenseite. Menschen tragen Mundschutz. Sie husten trotzdem. Schulen bleiben geschlossen. Diese Horrorbilder sollen der Vergangenheit angehören. Die chinesische Regierung steuert gegen. Die Schwerindustrie soll beispielsweise in andere Landesteile ausgesiedelt werden. Und auch der Autoverkehr, zu 20 bis 30 Prozent an der schlechten Luftqualität beteiligt, muss Federn lassen. 2020 will Peking die strengste Abgasnorm der Welt einführen. „China 6“, so der Name der neuen Norm, soll die durch Autoabgase verursachte Luftverschmutzung um 15 bis 20 Prozent reduzieren. Parallel dazu ist geplant, den Autobestand in Peking bei sechs Millionen Fahrzeugen einzufrieren. Dazu gibt es schon jetzt Maßnahmen, um den Verkehr in den Griff zu bekommen: Einmal pro Woche muss man bereits sein Fahrzeug stehen lassen. Neuzulassungen werden in einem Lotterie-Verfahren ausgelost. Die Chance, eine neue Autozulassung zu bekommen, soll bei fünf Prozent liegen. Neben den Fahr- und Zulassungsbeschränkungen für Autos mit reinen Verbrennungsmotoren werden Fahrzeuge mit alternativen Antriebskonzepten gefördert. Wer ein Hybrid-, ein E- oder ein Brennstoffzellen-Fahrzeug erwirbt, der bekommt sofort eine Zulassung, darf an allen Tagen fahren und soll künftig noch weitere Vergünstigungen – etwa kostenlose Parkplätze oder öffentliche Lademöglichkeiten – bekommen.
China investiert stark in die Infrastruktur
Seit 2009 wird für Peking auch eine City-Maut nach dem Vorbild von London diskutiert. Sollte sie doch noch kommen, dann wären Autos mit alternativen Antriebskonzepten davon befreit. Entscheidend sind sicherlich die finanziellen Anreize, die beim Kauf eines alternativen Fahrzeug-Konzepts locken: Je nach Reichweite werden beispielsweise E-Fahrzeuge vom Staat mit umgerechnet bis zu 6.140 Euro subventioniert, dazu addieren sich Vergünstigungen der Region und der Stadt. Insgesamt kommen so bis zu 17.000 Euro zusammen. Die Maßnahmen zeigen Erfolg. Von den rund 650.000 weltweiten Neuzulassungen von Elektro- und Plug-in-Hybrid-Fahrzeugen 2015 entfielen 180.000 auf China. Betrachtet man das erste Halbjahr 2016, dann konnte China als Weltmarktführer für alternative Antriebe seinen Absatz mit 170.000 Fahrzeugen fast verdoppeln.
Auf Rang zwei mit 66.000 Elektrofahrzeugen und Plug-in-Hybriden rangieren die USA vor Norwegen mit 22.000. Deutschland schafft es bei den Alternativen mit 10.481 Zulassungen auf Rang sechs. Bei jährlich 19 Millionen verkauften Neuwagen in China kommen die Autos mit alternativen Antrieben jedoch nur auf einen Marktanteil von einem Prozent. Ein Tropfen auf den heißen Stein, aber es gibt ehrgeizige Ziele: Bis 2020 sollen jährlich fünf Millionen Elektrovehikel verkauft werden. Der Master-Plan: 200.000 E-Busse, 300.000 E-Taxis, 200.000 Logistik-Fahrzeuge etwa für Kommunaldienste oder Krankentransport. 4,3 Millionen Elektrofahrzeuge sollen privat oder in Firmenbesitz zum Einsatz kommen. Dafür investiert China stark in die Infrastruktur. Bis 2020 sollen 4,8 Millionen Ladestationen entstehen.

Daimler baut mit dem chinesischen Auto- und Batteriehersteller BYD den Denza. Mit 1.301 Zulassungen kam er 2015 nur auf Rang 14. Foto: Daimler AG
Chinesische Politik forcieren Kooperationen
Und wer macht das Geschäft? Bislang gibt es 33 chinesische Modelle mit alternativen Antrieben. Dazu kommen zehn Fahrzeuge, die von Joint-Venture-Firmen gebaut werden. Wie beispielsweise die Kooperation von Daimler und BYD mit dem Namen Denza. Oder Zinoro, ein Gemeinschaftsunternehmen von BMW und Brilliance. Das erste Modell basiert auf dem BMW X1 und wird derzeit nur verleast. An der Spitze der Verkaufs-Hitliste steht mit dem Qin ein Plug-in-Hybrid von BYD, auf Rang zwei ein rein elektrisch angetriebenes Modell von BAIC. Der Denza kommt erst auf Rang 14. Mit 1.301 verkauften Modellen rangiert er noch weit hinter dem Tesla Modell S, das immerhin 3.000 Kunden fand. Dass das Daimler-BYD-Gemeinschaftsmodell Denza zu teuer sei, ist allenfalls ein Scheinargument. Kostet das Tesla Modell S in China nach Steuern doch 120.000 Euro (Europa 85.000 Euro). Was ist der Grund? Treffen die Deutschen den Geschmack der Chinesen nicht mehr? Eher scheint es, die Deutschen betreiben das E-Geschäft in China bislang eher verhalten. Die chinesische Politik hat sie dazu gezwungen, eigene Firmen mit den chinesischen Partnern zusammen zu gründen. Damit die Kunden an die Fördermittel kommen, müssen diese Firmen gemeinsam Elektroautos entwickeln. Das Entwicklungs-Know-how fließt somit in vollem Umfang an die chinesischen Partner.
Die Ziele sind klar: In China weiß man, dass der Entwicklungsvorsprung der traditionellen Automobil-Länder auf dem Gebiet der Verbrennungsmotoren nicht mehr aufzuholen ist. Bei den alternativen Antrieben, speziell bei den Elektroantrieben, sieht das etwas anders aus. Da hat man im Land selbst Erfahrungen. Schließlich fahren schon jetzt 200 Millionen Motorräder und Mopeds mit Elektroantrieb. Und: Im „vierten Batterie-Katalog“ hat die chinesische Regierung nicht weniger als 57 nationale Unternehmen aufgelistet, die Batterien produzieren. Diesen Vorsprung und die Aussicht auf die Weltmarktführerschaft will man sich in China nicht nehmen lassen. Schon jetzt beginnt die Expansion. BYD beginnt Ende 2016 mit der Produktion von Elektrobussen im ungarischen Komarom. Schon jetzt fahren 35 Elektrobusse dieses Herstellers am Amsterdamer Flughafen Schiphol. Flotten elektrisch angetriebener BYD-Taxis sind in Brüssel und London unterwegs. Wen wundert es da, dass sich der koreanische Elektrokonzern Samsung mit einem Volumen von 2,3 Milliarden US-Dollar bei den chinesischen Elektroauto-Bauern einkaufen will?

Verkaufsschlager: Der Plug-in-Hybrid Qin von BYD, der 2015 insgesamt 28.365-mal verkauft wurde. Foto: byd
China will weltbestes Elektroauto bauen
Tesla, vom bisherigen Geschäftsverlauf in China eher enttäuscht, plant zusammen mit einem chinesischen Immobilien-Unternehmen den Bau einer eigenen Fabrik in China. Das geplante Investment soll bei neun Milliarden US-Dollar liegen. Damit konkurrieren will das Start-up-Unternehmen Future Mobility. Noch gibt es kein Auto und keine Fabrik. Dafür hat Future Mobility ein ordentliches Budget und einen großen Plan. Hinter dem neuen Player im Autogeschäft steht ein chinesischer Internet-Gigant, der mit „WeChat“ die populärste Chat-Plattform in China betreibt. Und weil Geld offensichtlich keine Rolle spielt, haben die Chinesen groß eingekauft. Mit Carsten Breitfeld haben sie sich von BMW nicht nur den Gesamtprojektleiter des BMW i8 gesichert, sondern auch gleich den Chefentwickler des Antriebsstrangs, den verantwortlichen Designer und den Leiter des Produktmanagements mit nach China geholt.
Das erklärte Ziel: Bis 2020 sollen jährlich zwischen 250.000 und 400.000 Elektroautos gebaut werden. Und wenn man sich schon mit großen Zielen beschäftigt, dann gleich richtig: 2020 will man nicht nur das weltbeste Elektroauto bauen, es soll dann auch noch autonom fahren. Das Elektroauto ist aber auch in China noch kein Selbstläufer. Die Fördermittel für alternative Antriebe sind erst einmal bis 2020 festgeschrieben – auch wenn sie von Jahr zu Jahr stufen weise reduziert werden sollen. Eines hat die kurze, aber steile Karriere der alternativen Antriebe in China schon gezeigt. Es sind nicht allein die finanziellen Anreize, die Kunden zu den Alternativen greifen lassen. Elektroautos und Hybrid-Modelle boomen nur in den Metropolen, wo es Zulassungsbeschränkungen und Fahrverbote für Fahrzeuge mit reinen Verbrennungsmotoren gibt.
Drei Fragen an Stan Zurkiewicz
Herr Zurkiewicz, Sie leben seit 2002 in Asien, als für die gesamte Region Ostasien verantwortlicher DEKRA Manager in Shanghai. Wie sehen Sie den Zusammenhang zwischen Luftqualität und dem wachsenden Marktanteil von Elektrofahrzeugen?
Bei uns in Shanghai will die Umweltschutzbehörde mit aller Kraft erreichen, dass mehr als 90 Prozent aller Tage smogfrei bleiben. Ähnliche Pläne gibt es auch in allen anderen Metropolen Chinas. Dazu sollen Kraftwerke und Industrieanlagen weiter modernisiert oder ausgelagert werden, aber auch der Verkehr steht sehr im Fokus. Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor erhalten kaum noch eine Zulassung in den Ballungsräumen, Elektromobile oder Plug-in-Hybride kann man dagegen sofort anmelden.
Der Plan der Behörden, bis 2020 die Anzahl der Elektrofahrzeuge um jährlich fünf Millionen Stück zu erhöhen, erscheint sehr ehrgeizig; ist das realistisch?
Der Wunsch nach einem eigenen Auto ist bei den Chinesen nach wie vor sehr stark. Die Behörden werden jedoch die Zügel bei der Zulassung weiter anziehen. Dazu kommen strikte Festlegungen, welche Branchen und Behörden wie viele Elektrofahrzeuge zulassen müssen. Mit „China 6“ kommt 2020 zudem die schärfste Umweltnorm in China zum Tragen, während die „Beijing 6 Oil“-Auflage einen beachtlichen Einfluss auch auf Fahrzeuge mit niedrigem Emissionsstandard haben wird. Damit einher geht eine exakte Planung der Stromversorgung. Die Anreize für solche Fahrzeuge sind hier deutlich höher als etwa in Europa.
Ist DEKRA bei dieser Entwicklung involviert?
Ja, durchaus auf unterschiedlichen Gebieten. Wir bieten in China bereits seit mehreren Jahren Tests für elektrische Fahrzeugkomponenten an und sind jetzt dabei, unsere Aktivitäten zu erweitern, indem wir ein größeres Labor in Jiading, einem Stadtteil von Shanghai, einrichten. Dort werden wir nicht nur Ladestationen, sondern auch Schlüsselkomponenten von Elektroantrieben testen. In Partnerschaft mit dem China Quality Certification Centre (CQC) leiten wir die Entwicklung von Standards für die Kabel und Verbindungselemente für E-Autos. Das ermöglicht den Herstellern dieser Komponenten, den Zugang auf dem chinesischen Markt, aber auch auf internationalen Märkten. Wir unterstützen einen deutschen Autohersteller bei der Entwicklung eines Netzwerks für Ladestationen. Unter anderem bieten wir Trainings für die Installationen an. Autonomes und vernetztes Fahren sind Megatrends, denen wir mit unserem Know-how beim Prüfen von Drahtlos-Technik gerecht werden.