Mit dem WLTP Autos besser vergleichen
Der neue Emissions- und Verbrauchsstandard WLTP schickt den Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) nach und nach in Rente. Seit September gilt der WLTP zuerst für die Typzulassung neuer Modelle und Motorvarianten.

Für die Typzulassung sind nur die nach dem WLTP auf dem Rollenprüfstand ermittelten CO2-Werte von Bedeutung. Foto: DEKRA
Der Neue Europäische Fahrzyklus (NEFZ) hat zuletzt doch kräftig Rost angesetzt. Immerhin war das Verfahren zur Messung von Kraftstoffverbrauch und Abgasemissionen ein Vierteljahrhundert lang die maßgebliche Norm für Automobilhersteller, Prüforganisationen und Zulassungsbehörden. Mittlerweile sind sich Kritiker landauf, landab darüber einig, dass die Messwerte des NEFZ die technische Realität moderner Fahrzeuge nicht mehr auf zeitgemäße Weise abbilden. Genau diese Aufgabe nimmt jetzt eine neue Prüfnorm ins Visier.
„Worldwide Harmonized Light-Duty Vehicles Test Procedure“, kurz: WLTP heißt der unter dem Dach der Vereinten Nationen entwickelte Testzyklus für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge. Der WLTP gilt hierzulande seit dem 1. September 2017 für neue Modelle und Motorvarianten, die die Hersteller in diesen Klassen auf die Räder stellen. „Eine Typgenehmigung durch die Behörden gibt’s jetzt nur noch, wenn die CO2-Emissionen auf Basis des WLTP ermittelt wurden und das Fahrzeug die gesetzlich vorgeschriebenen Grenzwerte einhält“, erklärt Erik Pellmann, Fachgebietsverantwortlicher für Motor, Abgas und Antriebsstrang beim Technischen Dienst des DEKRA Automobil Test Centers (DATC) in Klettwitz.
In Klettwitz ist der WLTP bereits Teil des Arbeitsalltags
Für den Ingenieur gehört der WLTP bereits zum Arbeitsalltag. Vor allem an den beiden Abgasprüfständen des DATC herrscht häufig Hochbetrieb. Hier nehmen rund ein Dutzend Prüfingenieure und Techniker die Autos nach dem neuen Verfahren unter die Lupe. Auch bei den Autoherstellern sind die Mitarbeiter des Technischen Dienstes immer wieder mit Messungen vor Ort. Diese Regsamkeit dürfte noch eine ganze Weile andauern. Der Gesetzgeber schreibt nämlich vor, dass der WLTP ab dem 1. September 2018 für alle im Markt stehenden Fahrzeuge verbindlich ist. Bis zum Stichtag müssen die entsprechenden Werte für die Flotten der Autohersteller Schwarz auf Weiß vorliegen. Auf die DEKRA Experten wartet also noch viel Arbeit.
Der WLTP ist ein vergleichsweise aufwändiges Verfahren, bei dem die Prüfingenieure Verbrauch und Emissionen eines Fahrzeugs unter exakt definierten Bedingungen auf dem Prüfstand messen. In diesem Punkt unterscheidet er sich nicht von seinem Vorgänger. Bei den Werten für Stickoxide und Partikel sucht der Gesetzgeber jedoch einen Teil der Wahrheit auch auf der Straße. Dazu gibt’s eine eigene Testprozedur, die unter dem Namen Real Driving Emissions (RDE) firmiert. Sie ist gewissermaßen die kleine Schwester des WLTP und gilt ebenfalls für die Typprüfung neuer Modelle ab dem 1. September 2017. Für alle anderen Pkw ist RDE zwei Jahre später vorgeschrieben. Herzstück des Tests ist eine 90 bis 120 Minuten lange Messfahrt durch die Stadt, über Land und Autobahn, bei der das Prüffahrzeug mit einem tragbaren Messsystem ausgestattet ist. Das System weist neben den für RDE relevanten Abgaswerten auch die Werte für CO2 aus. Letztere ziehen die DEKRA Prüfingenieure zur Bewertung der Fahrweise auf der Messfahrt heran. Für die Typzulassung selbst sind nur die nach dem WLTP auf dem Rollenprüfstand ermittelten CO2-Werte von Bedeutung.

Für das RDE-Verfahren installiert ein DEKRA Prüfingenieur ein tragbares Messsystem. Foto: DEKRA
An dieser Stelle könnte die Gretchenfrage lauten, wie nah ein Labortest wie der WLTP der Wirklichkeit überhaupt kommen kann? Nimmt man das Konzept für das Prüfverfahren unter die Lupe, ist die Antwort eindeutig. Sie muss heißen: deutlich näher als der NEFZ. Das liegt unter anderem daran, dass der WLTP konsequent Faktoren wie Masse, Luftwiderstand und Rollwiderstand berücksichtigt, die sich auf den Kraftstoffverbrauch und damit auf die CO2-Emissionen auswirken. Die Autohersteller müssen zum Beispiel stets auch das schwerste Modell einer Reihe mit der kompletten Sonder- und Zusatzausstattung auf den Prüfstand schicken. Zudem gehen Karosserievarianten und Reifen aus verschiedenen Rollwiderstandsklassen in die Bewertungen ein. Das Testverfahren stellt sogar die Außentemperaturen in Rechnung, weil Motoren bei einem Kaltstart bei niedrigen Temperaturen etwas mehr Kraftstoff aus dem Tank ziehen. Steht ein Fahrzeug dann auf dem Abgasprüfstand, kommen die Rollen kräftig ins Rotieren.
Der WLTP besteht aus drei Fahrzyklen
Der WLTP schreibt für die in Europa typischen Pkw in der Leistungsklasse über 46 PS pro Tonne drei verschiedene Fahrzyklen vor, die sich in die Segmente Low, Middle, High und Extra-High einteilen. Ein wesentlicher Unterschied zum NEFZ sind die dynamischen Fahrprofile, die Phasen der Beschleunigung, Verzögerung und Stillstand abbilden. Die Stoppzeiten etwa fallen kürzer aus und das Tempo in den Phasen High und Extra-High ist höher und weniger konstant. Exakt 30 Minuten verbringt ein Testfahrzeug beim WLTP auf dem Prüfstand, rund zehn Minuten länger als beim NEFZ. Die zurückgelegte Distanz ist mit 23 Kilometern gut doppelt so groß. Die Durchschnittsgeschwindigkeit wiederum erreicht knapp 47 Stundenkilometer und ist damit etwa ein Drittel höher als bisher. Die maximale Geschwindigkeit in der Phase Extra-High beträgt 131 Stundenkilometer (NEFZ: 120 Stundenkilometer).
Mit dieser Auslegung ist der Testzyklus auf dem Rollenprüfstand so nah an der Realität dran, wie das einem aufwändig entwickelten Labortest eben möglich ist. Dabei liegt es auf der Hand, dass der WLTP nicht alle Faktoren berücksichtigen kann, die den Kraftstoffverbrauch im wirklichen Leben auf der Straße beeinflussen. Hier spielen letztlich auch die individuellen Einsatzbedingungen eines Fahrzeugs eine Rolle. Dazu gehören Fahrstil, Beladung sowie der Einsatz von Zusatzverbrauchern wie Klimaanlage und Sitzheizung. Auch die Topographie, das Klima und Wetter wirken sich unmittelbar auf den Kraftstoffverbrauch aus. Experten wie Erik Pellmann gehen davon aus, dass die Normangaben nach dem WLTP im Schnitt 20 Prozent höher liegen als beim NEFZ.

Ein Beispiel für einen WLTP Zyklus, der seit Anfang September für neue Modelle und Motorvarianten gilt. Bild: DEKRA
Auch für E-Fahrzeuge ist der WLTP vorgeschrieben
Allerdings müssen sich heute längst nicht nur Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor zur Typzulassung einer Messung auf dem Prüfstand stellen. Auch für Elektrofahrzeuge ist die Prüfung vorgeschrieben. Bei einem Stromer, der seine Energie allein aus der Batterie bezieht, spielen zwar die Messungen für Kohlendioxid keine Rolle. Dafür geht es um die Angaben zu Reichweite und Energieverbrauch. Das Prüffahrzeug startet das Programm mit randvoll geladener Batterie. Anschließend durchläuft es mehrfach die Testprozedur, bis der Akku nahezu vollständig entladen ist. Danach schließen die Prüfingenieure das Fahrzeug an ein mit Stromzähler ausgestattetes Ladegerät an. Auf diese Weise ermitteln sie über die verbrauchte Strommenge die Reichweite des Fahrzeugs.
Komplizierter gestaltet sich die Ermittlung des Kraftstoffverbrauchs und der CO2-Emissionen für Plug-in-Hybride und Fahrzeuge mit Range-Extender, die neben einem Elektromotor einen Verbrennungsmotor an Bord haben. Das Verfahren kombiniert eine Reihe von Prüfungen mit vollem und mit entladenem Akku. In den Abschnitten der Messung, in denen der Verbrennungsmotor beteiligt ist, zeichnet das System auch die entsprechenden CO2-Werte auf. Am Ende des Tests stehen umfangreiche Daten zu Emissionen, CO2, Kraftstoffverbrauch, elektrischer Reichweite und Energieverbrauch. Daraus ermitteln die DEKRA Prüfingenieure dann unter Berücksichtigung eines so genannten Nutzenfaktors die elektrische Reichweite ins Verhältnis zur Gesamtreichweite.
Und wer profitiert künftig von dem neuen Prüfverfahren? Auf jeden Fall die Autofahrer. Sie können mit den an den realen Verbrauch angenäherten Verbrauchsdaten beim Fahrzeugkauf ihre Kandidaten besser miteinander vergleichen. Für die Automobilhersteller dagegen ist der WLTP zunächst einmal eine Chance. Zwar trägt das Verfahren den Anspruch auf weltweite Gültigkeit bereits im Namen. Wie viele Länder dann am Ende im Boot sitzen, muss die Zukunft zeigen.
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